Vortrag von John Sinclair-Autoren an Bord der Flussschifferkirche Hamburg
Die Flussschifferkirche in Hamburg ist tatsächlich eine schwimmende Kirche. Allein das macht sie einzigartig. Einzigartig war aber auch die Veranstaltung am vergangenen Samstag. „Gott und Religion im Horrorroman“, ein Vortrag von Florian Hilleberg alias John Sinclair-Autor Ian Rolf Hill und eine Lesung von Lara Möller aus dem gemeinsamen Sinclair-Roman „Fighting with my Demons“.
Horror und Kirche, das ist definitiv eine spannende Mischung, außerdem ist Florian Hilleberg ein Autor aus der Nähe von Göttingen, über den ich schon länger schreiben wollte, Warum also nicht nach Hamburg fahren und der Frage auf den Grund gehen, die ja auch mein Schreiben immer wieder aufwirft. Horror und Kirche – passt das überhaupt zusammen?
Zunächst einmal sei aber erwähnt, dass die Flussschifferkirche sich an Bord eines ausgedienten Schiffes im Binnenhafen nahe der Speicherstadt befindet. Sie steht jeder und jedem offen, die Idee dahinter war aber die Seelsorge für Binnenschiffer, es gibt regelmäßig Gottesdienste auf Hoch- und Plattdeutsch. Florian Hilleberg schreibt seit zehn Jahren für die Heftroman-Serie John Sinclair, der Geisterjäger aus der Feder von Jason Dark, der seit mehr als 50 Jahren gruselige Monster und Dämonen jagt. Lara Möller schreibt ebenfalls für John Sinclair, veröffentlichte aber auch eine in Hamburg spielende Krimis und etliche Bücher mehr.
„Ich war immer schon affin, was Monster, Kreaturen und so weiter angeht“, erzählte Florian Hilleberg. 1989 kaufte er für 1,80 D-Mark sein erstes John Sinclair-Heft, es war die Nummer 575 „Vampir-Gespenster“. Seine Mutter war damals etwas besorgt, doch sein Deutschlehrer beruhigte sie, indem er sagte: „Es ist ganz egal, was der Junge liest, Hauptsache er liest.“ (Tatsächlich ein Satz, den ein Professor, bei dem ich damals Nachhilfe hatte, auch meinen Eltern sagte.)

Beim Horror sei es die Kontrolle, die wir über das Böse haben, die einen Großteil der Faszination für Bücher ausmache. „Wir haben die Möglichkeit, jederzeit zu entscheiden, ob wir uns weiterhin der Angst aussetzen“, führte Florian Hilleberg aus. Zudem gewinnt John Sinclair meistens, zumindest ist aufgrund der Serie sicher, dass er nicht stirbt.
Auch Gut und Böse ist klar verteilt, wobei das Böse ja durchaus ganz eindeutig in der Figur des Teufels auftritt, der in der Serie als feste Größe immer wieder agiert. „Der Einfluss der Religion ist klar erkennbar“, so der Vortragende. Gott hingegen kommt als Figur nicht vor, nicht als handelnde Person jedenfalls. Durch John Sinclairs stärkste Waffe, das Silberkreuz ist aber klar, dass es Gott gibt. Warum also agiert er in den Romanen nicht selbst?
„Das liegt im Medium selbst begründet“, holte der Autor aus, weil man es nämlich eigentlich nur falsch machen könne. Der Versuch, Gott darzustellen, führe zwangsläufig zu einer Entmystifizierung. Gott ist allmächtig, erklärte er, er könnte also das Böse mit einem Fingerschnippen besiegen. „Dann wäre die Geschichte auf Seite drei beendet.“ Sollte Gott allerdings nur als Zuschauer auftauchen, wie soll er dann das Gute sein?

Es ist also im Sinne der christlichen Vorstellung eines allmächtigen und guten Gottes nicht möglich, ihn als handelnde Figur auftreten zu lassen. „Außerdem schreiben wir Autoren ja auch lieber über über das Böse“, fügte Florian Hilleberg lapidar hinzu, denn durch dem Kampf dagegen bekomme der Held erst sein Profil. Er selbst, so schloss er, stelle sich Gott jedenfalls nicht als alten, weisen Mann vor, für ihn bleibe er unfassbar. „Wie langweilig wäre unsere Welt, wenn wir auf jede Frage eine Antwort hätten!“
Nach einer Pause las Lara Möller dann aus „Fighting with my Demons“ (Band 2417). Die Geschichte beginnt passenderweise mit einem mittelalterlichen Kloster, das angegriffen wird. Tief unter dem Kloster verborgen lauert ein Geheimnis, eine Kreatur, die die heiligen Mauern im Zaum halten sollen. Jahrhunderte später steht dort eine Kirche, bei der es bei Renovierungsarbeiten zu einem grausigen Mord kommt. John Sinclair wird von den deutschen Kollegen um Hilfe gebeten, er entdeckt ein altes Verlies unter der Kirche, steigt hinab. Aus der Dunkelheit greift ihn ein Skelett an, entreißt ihm das Kreuz…
Damit endete die Autorin und machte durchaus neugierig auf die Geschichte. Der Abend in der Flussschifferkirche endete allerdings noch nicht, denn Lara Möller und Florian Hilleberg nahmen sich viel Zeit, um mit den Gästen zu diskutieren, zu plaudern und viele Fragen zu beantworten. Für mich war wieder einmal klar, dass Horrorliteratur und Kirche überhaupt kein Widerspruch sein müssen. Das Vertrauen darauf, dass am Ende das Gute besteht, sorgt in beiden Welten für unerschütterliche Hoffnung.