Warum ich trotz unterschiedlicher Ansichten stolz auf meinen Vater bin
KI ist vielleicht das Thema dieser Zeit. Nach dem Siegeszug des Internets ist künstliche Intelligenz der nächste große Schritt unserer technischen Entwicklung. Alles scheint momentan KI-basiert, jeder einzelne kann inzwischen mit ChatGPT brauchbare Texte schreiben oder mit Midjourney Bilder generieren.
Vielen macht diese Entwicklung Angst. Kann sie uns Arbeitsplätze kosten? Können wir bald zwischen menschengemacht und KI-generiert nicht mehr unterscheiden? Entfernt sie uns vom echten Leben?
Auch hier bei Youtube und in der Vertoner-Szene, stoße ich in letzter Zeit immer wieder auf Kanäle, in denen eine KI Creepypastas mal mehr mal weniger blechern vorliest, und Amazon wird seit
einiger Zeit geradezu überschwemmt von fragwürdigen KI-Bilderbüchern, die Verlagen und Autor*innen das Leben schwer machen.
Also um es kurz zu sagen: Auch ich bin skeptisch, was den übermäßigen Einsatz künstlicher Tools angeht. Dabei ist KI im Grunde ja eben nur genau das: ein Werkzeug. Sicher, für viele noch ein
ungewohntes, es kommt eben auf den Umgang damit an. Dann wiederum kann es durchaus hilfreich eingesetzt werden, wie ihr vielleicht gesehen habt, nutze ich in letzter Zeit selbst häufiger
KI-Bilder für meine Thumbnails.

Wie jedes Werkzeug liegt es an uns, was wir daraus machen. Fakt ist aber, dass sich momentan wohl kaum jemand dem KI-Hype entziehen kann. Jede Branche, jedes Unternehmen etc. sollte zumindest mal überlegen, welche Arbeiten wir uns in Zukunft einfacher machen können, wo wir zielorientierter und somit erfolgreicher sein können. Das gilt am Ende sogar für die Kirche bzw. für diejenigen, die Glauben vermitteln wollen. Ein Beispiel aus diesem Umfeld möchte ich euch vorstellen, ehrlich gesagt sogar ein ziemlich persönliches Beispiel. Lasst mich ein wenig ausholen:
Als Jugendlicher schon schleifte mich mein Vater nicht nur in die Kirche, sondern oft auch zu größeren Missionsveranstaltungen und anderen Events, die ich damals ehrlich gesagt zwiespältig
aufnahm. Dennoch habe ich später meinen beruflichen Weg in der Öffentlichkeitsarbeit der Kirche gefunden, also muss es ja doch etwas Gutes gehabt haben. (Darüber müsste ich eigentlich mal ein
eigenes Video machen.) Jedenfalls stand ich vielem, was mein Vater auf die Beine stellte, um seinen Glauben zu verbreiten, wie auch vielen seiner Ansichten skeptisch gegenüber.
Er hat schon früher sehr oft Leserbriefe geschrieben, wenn er mit dem, was die – ich sag mal – Mainstream-Kirche tat, nicht einverstanden war. Auch gab er immer mal wieder Hefte oder Bücher mit
meist sehr konservativem christlichen Inhalt heraus. In den letzten Jahren überarbeitete er eine Jahrhunderte alte Luther-Bibel mit Erläuterungen des Theologen Lucas Osiander und digitalisierte
das ziemlich umfangreiche Werk.

Vor einiger Zeit erzählte er mir dann von seinem neuesten Projekt. Eine auf KI basierende Kinderbibel! Nun muss ich dazu sagen, dass er früher für die IBM arbeitete und die Entwicklung von Computern etc. immer verfolgte. Bis ins Rentenalter. So war es keine allzu große Überraschung, dass er sich mit fast 80 auch noch mit KI befasste. Die Idee einer KI-Kinderbibel aber schien mir dennoch gewagt.
Über Monate hielt er mich auf dem Laufenden, welche Texte der Bibel er per KI zusammenfassen ließ und wie er sie wieder und wieder bearbeitete, bis er damit zufrieden war. Später dann, welche
Bilder er dazu erstellte. Diese ließ er von der Grafikerin Renate Aab überarbeiten, die schließlich auch das Layout in die Hand nahm.
Herausgekommen ist letztlich ein kleines Heft mit den wichtigsten biblischen Texten von der Erschaffung der Welt bis zum Wirken der Apostel. Zu Ostern heißt es beispielsweise: „Jesus
verabschiedete sich von seinen besten Freunden. Er machte eine Feier mit Brot und Wein. Er nahm Brot und Wein und sagte: ‚Das Brot bin ich, und der Wein ist mein Blut.‘ Das erinnert uns daran,
wie sehr Jesus uns liebt. Wir sollen uns bei dieser Feier daran erinnern, dass Jesus für unsere Fehler gestorben ist.“ Das Ganze illustriert mit Bildern, die an Computerspielgrafiken denken
lassen.

„Die erste KI-Kinderbibel“ heißt das Heft, das er dieses Jahr auf der Leipziger Buchmesse präsentierte und das schon etliche Leser fand. Auch namhafte Händler etc. meldeten sich bei ihm und hatten Interesse, eben weil es ein Projekt ist, das die Zeichen der Zeit erkannt hat und ganz neue Wege beschreitet. Ob nun ein großer Partner mit ihm zusammenarbeiten möchte oder ob die nur den Mark checken, um dann eigene Produkte herauszugeben, weiß ich natürlich nicht. In jedem Fall aber war und ist es spannend, diese Reise mitzuerleben.
Ob es mich die KI-Kinderbibel als solche damals als Jugendlicher überzeugt hätte, weiß ich natürlich aus heutiger Sicht nicht. Ein bisschen zu statisch scheinen mir die Texte, manche vielleicht
zu belehrend. Und einige Bilder sind schon recht kitschig, andere wiederum aus meiner Sicht ziemlich gelungen.
Letztlich muss ich aber auch kein endgültiges Urteil abgeben, denn zum Glück bin ich ja keine KI, die sehr zügig eine eindeutige Antwort liefern muss. Auf jeden Fall bin ich irgend stolz auf
meinen Vater. Weil er in seinem Leben immer für seine Überzeugungen brannte, weil er sich bis ins Alter immer noch mit Neuem auseinandersetzt, weil er solche Projekte anpackt und mit vollem
Einsatz zu Ende bringt. Und eben auch, weil mir wieder einmal klar geworden ist, wie unterschiedliche Wege im Glauben sein können und dass jede aktuelle Entwicklung auch mit der christlichen
Botschaft kompatibel ist.
Insgesamt bin ich gespannt, wie sehr KI insbesondere auch die Literatur noch verändern wird, und auch, wie sie sich in der Kirche einsetzen lässt. Meine Texte, also die journalistischen für die
Kirche und in allen anderen Bereichen und ebenso die Storys hier für diesen Kanal schreibe ich noch zu hundert Prozent selbst. Aber für Recherchen, zum Korrigieren von Fehlern und Überprüfen von
Zusammenhängen und und und, wird es in Zukunft noch etliche weit entwickelte Tools geben, die ich mit Sicherheit auch nutzen werde.