Teranga

Gemeinschaft leben statt Spaltung

 

Die Medien sind voll von Berichten über kriminelle Ausländer, hetzende Rechte und eben Situationen, in denen ein Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen nicht funktioniert. Wie viel davon der Wahrheit entspricht, ist eine Sache. Eine andere ist, dass die stetige Wiederholung negativer Meldungen natürlich dafür sorgt, dass Menschen dem Glauben schenken und so immer mehr Vorurteile aufbauen. Mein Verständnis von Journalismus ist eines, das positive Meldungen und konstruktive Artikel in den Fokus rückt. Die zu finden ist nicht schwer. Daher möchte ich euch nur zwei Beispiele aus der vergangenen Woche vorstellen:

 

Ein interreligiöses Zucker-Osterfest? Kann das funktionieren? Ja, es hat funktioniert. Am vergangenen Freitag hatte das Diakonische Werk im Kirchenkreis Harzer Land dazu in den Garten der Kreuzkirche eingeladen und es wurde ausgelassen gefeiert. Christen wie Muslime gemeinsam, mit mitgebrachten Speisen, die geteilt wurden, mit Spiel und Spaß für Kinder und vielen Gesprächen über Bräuche, Religion und gelebten Glauben.


Der Brauch, dass der Osterhase zu Ostern Eier versteckt, die Kinder dann suchen können, gewann erst ab dem 19. Jahrhundert an Bedeutung. Er hat traditionell mit dem Hasen als Symbol für Fruchtbarkeit und für Christen damit auch für das Weiterleben nach dem Tod zu tun, die Verbreitung vor allem aber mit der industriellen Herstellung von Zucker, die erschwingliche Schokohasen ermöglichte.

 

 

Süßigkeiten spielen auch beim Fest des Fastenbrechens, dem Zuckerfest im Islam eine Rolle, generell gemeinsames Essen mit Verwandten und Freunden. Wie das dann aussehen kann, davon konnten sich die Gemeindeglieder und Besucher der Kreuzkirche überzeugen. Die Tische bogen sie geradezu durch, die Kinder spielten sofort zusammen, nach und nach kamen auch die Erwachsenen ins Gespräch und in den Austausch.

 

Pastorin Johanna Friedlein erläuterte das Entzünden der Osterkerze und die Bedeutung für die Christen, Khulood Al-Shraideh, die das Fest zusammen mit Svenja Rudloff initiierte, erzählte von gemeinsamem Feiern in der Heimat ihrer Eltern, Jordanien. „Dort feiern wir Ostern, das Zuckerfest, auch Weihnachten als Muslime und Christen alle gemeinsam.“ Für sie und ihre Familie und Freunde dort völlig selbstverständlich.


„Religion hindert uns doch nicht, auch mit anderen zu feiern“, sagt sie, „wir leben dort zusammen, haben Freundschaften, bei denen der Glaube doch nicht im Weg stehen sollte, und natürlich feiern wir auch alle gemeinsam.“ Sie sagt es mit einem Strahlen und fügt dann hinzu: „Dass ich als Muslima hier beim Diakonischen Werk arbeite, freut mich sehr. Aber viele moralische Werte im Islam und im Christentum sind ja auch sehr ähnlich.“

 

Nur wenige Tage vorher war ich in einer Grundschule eingeladen, die eine Partnerschule im Senegal hat und diese Freundschaft mit Begeisterung lebt:

 

„Wir reisten als Botschafter zwischen dem Norden und dem Süden dieser Welt, damit wir das Leben unserer Freunde besser kennen und verstehen“, erläuterte Schulleiterin Anke Schwarz den Schülerinnen und Schülern, ihren Eltern und einigen Freunden am vergangenen Mittwoch in der Grundschule Lasfelde. Besagte Freunde sind jene im Senegal, in Kaolack, wo ihre Schule seit 2022 eine Partnerschule hat.


Damit ist eine weitere Brücke zwischen Osterode und Kaolack gebaut, es gibt noch mehr persönliche Kontakte, um, wie Anke Schwarz ja sagt, die Lebensumstände dort besser zu verstehen und für einen für beide Seiten bereichernden Austausch zu ermöglichen. So sagt es auch Tobias Rusteberg, der das Projekt für das Gymnasium und mit viel persönlichem Engagement seit vielen Jahren begleitet. „Es ist so schön zu sehen, wie sich persönliche Freundschaften entwickeln und dass schon im Grundschulalter der Grundstein gelegt werden kann.“

 

 

An diesem Spätnachmittag jedoch ging es für die Schülerinnen und Schüler vor allem darum, dass ihre Klassenräume zu Kinosäalen wurden. Anke Schwarz und Anja Hampe haben ihren Besuch in einem halbstündigen Film dokumentiert, der den Kindern und allen Interessierten gezeigt wurde. „Zusammen unter einem Himmel“ zeigt den Alltag in der Schule im Sengal, zeigt, wie die Kinder dort in deutlich größeren Klassen lernen, wie einfach die Ausstattung der Schule im Vergleich zu unseren Schulen doch ist.


Der Film zeigt aber auch, wie sie dort die gleichen Lieder singen wie hierzulande, wie sie in den Pausen und im Sportunterricht begeistert Fußball spielen. Essen, Freunde, Familie und Frieden, das sind die Bedürfnisse dort wie hier, sagen einige Schülerinnen und Schüler. „Uns verbindet mehr als uns trennt“, stellen die beiden deutschen Lehrkräfte schlussfolgernd fest.

 

 

Außerdem zeigt der Film auch, wie dank des Projekts und der damit verbundenen Spenden beispielsweise eine neue Toilettenanlage gebaut oder Sportgeräte angeschafft werden können. Wie ein Schulgarten bewirtschaftet wird, von dem alle Schülerinnen und Schüler profitieren und überhaupt, wie Bildung dort als große Chance angesehen wird, eben weil sie die Lebensumstände so sehr beeinflusst und letztlich auch hilft, Fluchtursachen zu verringern.


All das war für Kinder und Erwachsene gleichermaßen interessant. Im Anschluss gab es viele Fragen, denen sich die Lehrerinnen nur zu gerne stellten. Ihre Botschaft jedenfalls kam an. Kann Anja Hampe mit einem Satz beschreiben, was der Besuch im Senegal für sie bedeutet? Ihr reicht dazu sogar nur ein Wort: Teranga.


Teranga bedeutet Gastfreundschaft und Solidarität, steht für die Herzlichkeit, die sie dort erfahren hat und auch die Zuversicht, dass alles schon irgendwie gut wird. „Diese senegalesische Gelassenheit versuche ich mir nach den Besuchen hierher rüberzuretten“, sagt sie. Sicher nicht das Schlechteste, was man nach Deutschland mitbringen kann.