Wie geht es weiter mit Europa?

Podiumsdiskussion mit Vertretern der demokratischen Parteien zur Europawahl

 

Mehr europäische und weniger nationale Entscheidungen fordert Kai Tegthoff, Kandidat für die Europawahl von Volt. Nein, wir haben das demokratischste EU-Parlament, das wir je hatten, widerspricht der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Jan-Christoph Oetjen (FDP). Die Arbeit, die die EU leistet, sei gut, es könne nur um einige Verbessrungen gehen, meint auch Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament.


Vor zwei Tagen durfte ich eine Podiumsdiskussion zur Europawahl am 9. Juni besuchen, sehr hochkarätig besetzt und organisiert und moderiert von Jugendlichen. Bei uns hat sich im vergangenen Jahr der Verein Demokrateatime gegründet, der es sich zur Aufgabe macht, Jugendbeteiligung in der Region zu stärken und über Demokratie zu informieren. Dafür wurde er schon im Bundeswettbewerb Demokratisch Handeln ausgezeichnet.


Den Vorsitzenden, Alex, der gerade sein Abi gemacht hat, lernte ich schon bei anderen Veranstaltungen kennen und schätzen, so dass ich natürlich gerne auch zu dieser Diskussionsrunde ging. Zu den Gästen gehörten wie oben erwähnt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Jan-Christoph Oetjen (FDP, der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD) und Kai Tegthoff (Volt) sowie weitertin Dirk-Claas Ullrich (Bündnis 90/die Grünen), Johanna Brauer (Die Linke) und Alexander Böger (CDU). Es ging um langfristige Ziele der Europäischen Union, um Sicherheit für Europa und auch um Migration.

 

 

Nun stellen Alex und sein Team natürlich nicht alles ganz allein auf die Bühne,  sein Gymnasium, wo die Veranstaltung stattfand, ist Europaschule und bietet schon lange Projekte etc. zum Thema Europa und EU-Politik an. Dennoch ist es ja nicht selbstverständlich, dass das auch fruchtet, so dass ich nach wie vor vom Engagement der Jugendlichen begeistert bin und außerdem auch, wie routiniert sie die Talkrunde moderierten.


So kitzelten sie zunächst einmal heraus, dass sich alle Kandidat*innen ein Zusammenwachsen und letztlich einen europäischen Bundesstaat, also die United States of Europe wünschen. Manche sofort, andere eher langfristig, aber das gemeinsame Ziel für Europa ist damit auf jeden Fall eindeutig.  


In Bezug auf den Krieg in der Ukraine wurde über gemeinsame Waffenlieferungen und auch eine gemeinsame Armee diskutiert. „Wir müssen in die Verteidigung der EU investieren“, forderte Bernd Lange, wohingegen Johanna Brauer betonte, dass Krieg nie eine Lösung sei, es müsse also auch weiterhin mit Putin verhandelt werden. „Putin könnte diesen Krieg sofort beenden“, widersprach Jan-Christoph Oetjen.

 

 

Ganz aktuell hat die EU einer Asylreform zugestimmt, dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS), einem umfassenden Gesetzespaket zur Reduzierung irregulärer Migration. In diesem Thema gingen die Meinungen dann weit auseinander. So konstatierte Dirk-Claas Ullrich: „Das, was gerade passiert ist, ist der größte Rechtsruck im Europäischen Parlament, den wir jemals erlebt haben.“


Nein, GEAS sei einen Versuch wert, widersprach Alexander Böger, es gab schließlich Handlungsbedarf an den europäischen Außengrenzen. Es müsse sich etwas ändern, da nach wie vor Menschen im Mittelmeer ertrinken, pflichtete ihm Jan-Christoph Oetjen bei. Johanna Brauer allerdings bezeichnete das Gesetzespaket als „menschenverachtend“, wenn der Weg über das Mittelmeer für Flüchtende eingeschränkt werde, müssen man andere Fluchtrouten öffnen.


Asyl und Arbeitsmigration seien nicht zu vermischen, mahnte Kai Tegthoff. Lager für Geflüchtete an europäischen Außengrenzen sind für ihn unmenschlich, für Arbeitsmigranten müssten deutliche Anreize geschaffen werden, und zwar für ganz Europa. Bernd Lange betonte noch, dass eine Verbringung in Drittstaaten, so wie es in Großbritannien aktuell gemacht werde, nach europäischem Recht unmöglich sei, worauf Alexander Böger widersprach und diese Rechtsauffassung anzweifelte.

 

Im Anschluss gab es noch Raum für einige Nachfragen der Schüler*innen, auf die ich hier kaum eingehen kann, außerdem möchte ich mich mit meiner eigenen Meinung zu manchen Positionen zurückhalten. Da ich auch schon ähnliche Podiumsdiskussionen, auch an Schulen, mit Wahlkandidat*innen verschiedener Parteien moderiert habe, weiß ich eben, wie anstrengend das mitunter werden kann – nicht der Schüler wegen, sondern weil manche Politiker schwer zu bremsen sind oder auch gerne mal in Populismus verfallen.


Daher gilt Alex und seinem Team mein größter Respekt, zum einen, weil ich in dem Alter längst nicht so politisch engagiert war und es bemerkenswert finde, zum anderen, weil sie ihre Sache auch wirklich gut machen. Sie laden immer wieder Politikvertreter ein, um nachzufragen, mit ihnen zu diskutieren und ihnen damit zu zeigen, wer die Wähler von morgen sind. Das kommt mir persönlich oft viel zu kurz, weil es auf den großen Bühnen und in den großen Medien oft nur um die Lautesten geht.


Diese Diskussion zeigte, wie inhaltlich kontrovers Politik und auch Demokratie sein kann, aber auch wie konstruktiv und informativ, wenn nicht Populisten den Rahmen der Sachlichkeit sprengen. Meiner Meinung nach war es eine gute Entscheidung, nur die wichtigen demokratischen Parteien einzuladen, eine Entscheidung, an der sich große Fernsehtalkshows ein Beispiel nehmen sollten.