Vertrauen ist die Basis einer Gesellschaft

Geschichte darf sich nicht wiederholen

 

Wie lässt sich ein erneuter Rechtsruck, eine Wiederholung der Geschichte des Dritten Reiches verhindern? Dieser Frage ging Prof. Dr. Dr. h.c. Dietz Lange im Schulzentrum in Duderstadt nach. Da ich diesen Vortrag wirklich spannend fand und er mir auch eine neue Sichtweise eröffnete, will ich ihn euch hier zusammenfassen und auch an einigen Stellen kommentieren.

 

Die derzeitigen Demonstrationen, so ein Teil seiner Antwort, hält er für besser und wirkungsvoller als ein Verbot der AfD. Im Vorfeld der Machtergreifung Hitlers sei vor allem das Vertrauen in die staatliche Ordnung zerstört worden, so Dietz Langes Ausgangsthese. Auch heute „faseln politische Extremisten von der Lügenpresse“, bekräftigen Verschwörungstheorien und wollen tausende Menschen ausweisen, zog er eine Verbindung.

 

Es war eine Veranstaltung zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, über die ich berichten sollte. Das ist nach wie vor ein wichtiges Thema, besonders interessiert es mich allerdings immer, wenn es nicht nur historisch bleibt, sondern auch angesprochen wird, was dieser düstere Teil unserer Geschichte denn heute für uns bedeuten kann, bedeuten muss. Gleich mit seinem Einstieg hatte der 90-jährige Professor mich daher gepackt und ich war gespannt, welchen Bogen er spannt.

 

 

Das Vertrauen ist also die Basis, persönlich, öffentlich und auch religiös. Selbstverständlich sei es auch gesund, zu misstrauen, das sei ein Schutz, doch es dürfe nicht die Herrschaft übernehmen. Diktaturen bauen immer auf Misstrauen auf, führte er aus, allerdings müssten Menschen darauf vertrauen, dass sie in einer Gesellschaft sicher sind. Um genau dies zu untergraben, werden von einigen Kräften Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt, der Staat und auch die Wissenschaft (beispielsweise beim Thema menschengemachter Klimawandel) werden infrage gestellt.


Ebenso das Gottvertrauen, so Prof. Lange weiter, wodurch Unsicherheiten geschürt werden. „Diese Entwicklung lässt sich schwer rückgängig machen“, sagte er, denn sie zeige sich schon seit dem Mittelalter. Damals ging man von einer gottgegebenen Ordnung aus, mit immer neuen Entwicklungen und Entdeckungen der Neuzeit wuchs die persönliche Kontrolle des Menschen, was als Nebenwirkung eben eine Vertrauenskrise mit sich brachte.


Unsere Gesellschaft wurde komplizierter, der zunehmende Pluralismus verunsicherte, Orientierung wird immer schwerer. Das nutzen Populisten immer wieder, indem sie mit Vereinfachungen arbeiten. Dem gegenüber stehen Fakten, ebenso die Achtung der Verschiedenheit und die Einsicht, dass niemand absolutes Wissen hat. Das religiöse Vertrauen hilft uns laut Dietz Lange dabei, auf einem festen Fundament zu stehen und uns gegen Verunsicherungen und Fake News abzusichern.

 

 

Zwar gebe es keinen Beweis, sondern lediglich Indizien, doch Gottes Kosmos sei geordnet und könne uns Orientierung geben, erklärte er. Ja, die tausendfachen Morde an Juden im Dritten Reich erschütterten für viele Menschen das Vertrauen in einen guten und allmächtigen Gott, so dass wir heute oft ohne Glauben an ihn leben. Auf diese Zweifel gebe es keine zufriedenstellende Antwort, dennoch ist er überzeugt, dass das Vertrauen in Gott unsere Gesellschaft und uns bis ins Private helfen und festigen kann.


Zudem sollen wir als Christen in der Welt wirken, fügte Prof. Lange an, was sich auch darin zeigen kann, dass wir mit vielen Menschen unterschiedlicher Überzeugung ins Gespräch kommen, andere Sichtweisen nachvollziehen und so immer wieder zu dem Schluss kommen, dass eine vielfältige Gesellschaft mit gegenseitigem Respekt jedem Menschen gegenüber die einzig mögliche, die einzig lebenswerte ist.

 

Es gab dann im Anschluss eine Diskussion, in der dann zum Beispiel kritisiert wurde, dass er die unrühmliche Rolle der Kirche im Dritten Reich nicht angesprochen habe. Sicher, auch das muss heute noch aufgearbeitet werden, allerdings ging es in diesem Vortrag ja nun mal um einen anderen Aspekt und letztlich um eine ganz klare These Dietz Langes. Für mich jedenfalls war es als Vortrag vollkommen rund.

 

Dennoch frage ich mich natürlich, ob mehr Gottvertrauen wirklich dazu führt, dass wir offenere und demokratischere Gesellschaften haben. Das wäre ja im Prinzip der Rückschluss. Als Christ bin ich definitiv der Meinung, unsere Welt sei friedlicher und gerechter, wenn wir alle Prinzipien der christlichen Ethik zugrundelegen. Doch selbst dann sind wir alle immer noch Menschen und Macht verführt meiner Meinung nach immer zum Egoismus. Insofern glaube ich nicht, dass Gottvertrauen die einzige Lösung ist. Sagt der Professor ja auch nicht, ich weiß.

 

Spannend bleibt für mich jetzt aber die Frage, was es denn braucht, damit eine Gesellschaft, eine Demokratie stark gegen Faschismus, gegen Korruption, gegen Ungerechtigkeit, gegen Machtmissbrauch in welcher Form auch immer ist. Ja, auf jeden Fall Werte wie Nächstenliebe, Toleranz und gegenseitigen Respekt. Nur ob das ausreicht, daran zweifle ich angesichts unserer momentanen politischen Lage leider immer wieder.