Reichsbürger als Nachbarn

Der Fall des Hotels am Wiesenbeker Teich - Teil 2

 

Da mich das Thema Reichsbürger - und die dann auch noch fast in der Nachbarschaft - alarmierte, wollte ich über das Hotel, über den spannenden Lost Place, in dem ich leider nie war, berichten. Doch meine Chefin meinte damals, sie wolle diesen Leuten auf ihrer Plattform keine Bühne bieten. Zum Teil kann ich das Argument sogar nachvollziehen, bin aber nach wie vor der Ansicht, dass Aufklärung wichtig ist.


Irgendwann tauchte auf Youtube ein Video von Taccos World auf, der Lost Places aufsucht und eben auch dieses Hotel. Dabei hatte er Kontakt mit der Eigentümerin, half ihr sogar beim Entrümpeln der Bude. Als er erfuhr, dass sie Reichsbürgerin ist, gab es dann ein weiteres Video und eine Distanzierung von ihm.


Natürlich schrieb ich ihn an, wollte gerne ein Interview mit ihm machen. Zuerst schien er dem auch nicht abgeneigt, doch kam mir eine andere Zeitung zuvor, die setzten ihn, wie ich später erfuhr ein wenig unter Druck, so dass er sich bei mir anschließend nicht mehr meldete. Schade eigentlich.

 

 

Vor einigen Monaten gab es dann die Meldung eines Bombenalarms im Göttinger Kreishaus. Dort war ein verdächtiges Paket eingegangen, Absenderin war, wie sich später herausstellte die Reichsbürgerin und Hotelbesitzerin.


Die neuesten Nachrichten besagen nun, dass die Nutzung des Kiosks und verschiedener Wohnanlagen wegen baurechtlicher Bestimmungen untersagt werden, Grund sind – wer hätte es gedacht – fehlende Baugenehmigungen und Bauanträge. Die Bauaufsicht könne Kiosk und Wohnanlagen versiegeln oder gar abreißen lassen, hieß es seitens des Landkreises, das Rechtssystem der Bundesrepublik werde auch gegenüber Reichsbürgern durchgesetzt.


Alles in allem weiß also keiner, wie es weitergeht. Fakt ist aber, dass bei mir um die Ecke Menschen leben, die die Ansichten derer teilen, die einen Putsch oder Staatsstreich planten, Menschen, die immer wieder und an verschiedenen Orten Grundstücke kaufen und sich so mehr und mehr ausbreiten. In Zeiten, in denen unsere Gesellschaft gespalten ist wie selten zuvor, in denen so vieles wieder rausposaunt wird, was lange als unsagbar galt, in denen es meiner Meinung nach gewaltig brodelt, macht mir sowas Angst.

 

 

Das jedenfalls ist der persönliche Aspekt. Journalistisch gesehen bin ich immer noch überzeugt, dass es wichtig ist, diese ganze Geschichte im Blick zu behalten. Mindestens das. Eigentlich würde ich auch gerne einfach mal hinfahren und versuchen, mit der Besitzerin ein Gespräch zu führen.


Nein, ich weiß nicht genau, worauf ich mich da einlasse, ich weiß nicht einmal genau, wie ich in ein solches Gespräch einsteigen würde. Aber irgendwie möchte ich mir eben gerne selbst ein Bild machen und erfahren, wie tief die Überzeugungen dieser Frau gehen, ob sie überhaupt bereit ist, mit der „Lügenpresse“ zu sprechen.


Auch wie genau ich einen Artikel schreiben würde, kann ich noch nicht sagen. Aufklären, einordnen, mit Fakten argumentieren, das auf jeden Fall. Aber erreicht man Leute aus diesem Dunstkreis damit überhaupt noch? Oder bietet man ihnen tatsächlich nur eine Bühne, weil sie sich als missverstanden und als Opfer fühlen können? Zugegeben, ich bin noch unsicher. Aber auf jeden Fall werde ich euch auf dem Laufenden halten.