Krieg ist immer ein Krieg der Mächtigen

Auch in Israel und Palästina sehnen sich die Menschen nach Frieden

 

Im Oktober startete die palästinensische Hamas einen Großangriff auf Israel. Ziel war unter anderem ein Festival, das Liebe und Freiheit als Motto hatte und auf dem mehr als 3000 Menschen friedlich feierten. Mehr als 260 von ihnen wurden bei dem Terrorakt getötet, es gab weitere Todesopfer im ganzen Land, andere wurden gefoltert und entführt. Vor allem Zivilisten.


Solche Taten sind verabscheuungswürdig und müssen Konsequenzen nach sich ziehen. Andererseits brodelt es im Gazastreifen und darüber hinaus schon lange, jeder kriegerische Akt zieht Vergeltungsschläge nach sich. Die Lage ist undurchsichtig, ich zumindest kenne viel zu wenig Hintergründe, um mir wirklich ein klares Bild zu machen.


Vor ein paar Jahren allerdings hatte eine Kirchengemeinde eine palästinensische Christin aus Bethlehem eingeladen, die über die Lebensumstände in ihrer Heimat berichtete. Aus ihrer Sicht selbstverständlich, also aus palästinensischer Perspektive und damit rein subjektiv. Trotzdem hat mich dieser Vortrag beeindruckt.

 

 

Gebete, die Mauern einstürzen lassen sollen, sind in Deutschland selten geworden, sagte M. (als Vorsichtsmaßnahme nenne ich den Namen hier nicht) damals. An diesem Abend jedoch wurde genau dafür gebetet, für ein Ende der Konflikte zwischen Israel und Palästina, für Frieden auf beiden Seiten der Mauer im Heiligen Land. Zuvor hatte M. in bewegenden, teils poetischen und häufig feinsinnig ironischen Worten vom Leben in ihrer Heimat und von der Sehnsucht nach einem Miteinander beider Völker berichtet.


M. ist in Deutschland aufgewachsen, hat den Fall der Berliner Mauer hier miterlebt. Jetzt lebt sie in Palästina und hofft, dass auch die Mauer um die palästinensischen Gebiete im Westjordanland eines Tages fallen wird. „Es gibt dort Hass, Rache, Vergeltung und für beide Seiten das Wichtigste: die Vergeltung der Vergeltung“, beschrieb sie den Teufelskreis der Gewalt, in den Extremisten beide Völker immer wieder ziehen. Die Mehrheit der Menschen sei dessen jedoch müde geworden und sehne sich nach Frieden.


„Wenn es in der Bibel heißt, wir sollen unsere Feinde lieben, habe ich mich oft gefragt: Wie macht man das?“, schilderte sie sehr persönlich. Für die christliche Minderheit (1,4 Prozent aller Palästinenser) sei es ohnehin nicht leicht, zwischen zwei großen Weltreligionen zu leben, doch der Glaube gebe ihr Kraft. Kraft, die sie braucht, wenn sie sieht, wie sich die israelischen Grenzanlagen durch palästinensische Felder und über Straßen schlängeln. „Man hat uns hinter diese Mauer gesteckt, sie sehen uns nicht mehr“, sagte sie, „doch 4,2 Millionen Palästinenser kann man nicht wegdenken.“


Aus M.s Sicht sei genau das versucht worden. Seit der Gründung des Staates Israel seien die Palästinenser immer weiter zurückgedrängt worden und durch den Holocaust habe international niemand versucht, die Israelis zu bremsen. So kam es zur Gegenwehr, die mit Gewalt beantwortet wurde und es entstand jener Konflikt, der das Land und seine Menschen bis heute prägt.

 

 

Auch wenn die Palästinenser inzwischen längst auf ein kleines Gebiet zurückgedrängt sind, wurden dort israelische Siedlungen gegründet, die mit Zäunen und eben jener bis zu neun Meter hohen Mauer gesichert sind und zum Leidwesen der palästinensischen Nachbarn 80 Prozent des Wassers abschöpften. „Sie haben blühende Gärten mit Swimmingpools – wir haben kein fließendes Wasser, sondern Wassertanks auf unseren Dächern, die viel zu oft leer sind“, schilderte M Und selbst die Olivenbäume, die für viele Menschen eine Existenzgrundlage bedeuten, würden für die Grenzanlagen gerodet. Besonders bitter aufgestoßen sei ihr das, als sie auf einem Kirchentag in Deutschland einmal gefragt wurde, ob sie nicht für Baumpflanzungen in Israel spenden wolle. Nach ihrem Hinweis auf alte Olivenbäume, die ihre Großelterngeneration gepflanzt, gehegt und gepflegt habe, sei das Gespräch sehr schnell zu Ende gewesen.


Die Verbitterung ließ sich aus M.s Worten durchaus heraushören. Viel deutlicher war allerdings ihre sehnsuchtsvolle Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden, die durch das, was vor 34 Jahren in Deutschland ohne Blutvergießen geschehen war, genährt wird. Vor allem die älteren unter ihren zahlreichen Zuhörern an diesem Abend konnten ihre Gefühle sehr gut nachvollziehen und diskutierten daher noch lange über den eindrucksvollen Vortrag.


In Erinnerung an diesen Abend frage ich mich nun, wie es sein kann, dass es jetzt auch bei uns wieder zu Bedrohung und Gewalt gegen Juden kommt, da wir doch in doppelter Hinsicht aus unserer Geschichte gelernt haben sollten. Zum einen sollten wir doch gelernt haben, dass Antisemitismus und allgemein eine Verurteilung von Menschen aufgrund ihrer Religion völliger Irrsinn ist, und zum anderen, dass wir als Zivilbevölkerung für einen friedlichen Widerstand gegen Spaltung, Hetze und Gewalt stehen können.


Zugegeben, ich halte mich hier kurz und könnte sicher noch viele Aspekte anbringen und näher beleuchten. Aber meiner Meinung nach dürfen wir schlicht nicht zulassen, dass Menschen hier bei uns aufgrund ihrer Herkunft, Religion etc. diskriminiert und bedroht werden. Wir sollten aus unserer Geschichte gelernt haben, dass Hass nur Verlierer kennt, und jenen, die ihn schüren, kein Gehör schenken. Krieg ist immer ein Krieg der Mächtigen, während die meisten Menschen auf beiden Seiten den Frieden wollen.