Ist unsere Demokratie ein Auslaufmodell??

Junge Menschen fordern politische Teilhabe

 

„Ich bin in einer Diktatur aufgewachsen; tretet für die Demokratie ein, denn Freiheit ist ein hohes Gut“, sagte Ali Abo-Hamoud, Geflüchteter aus Syrien und jetzt Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen in Goslar, beim Demokratietag im Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium in Herzberg. Der Tag wurde von Alexander Fröhlich, Jahrgang 13, initiiert und beinhaltete neben Informationsständen der demokratischen Parteien und Workshops auch eine Podiumsdiskussion mit politischen Vertretern.


Christoph Podstawa, Landesgeschäftsführer Die Linke in Niedersachsen, Andreas Körner, CDU-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Göttingen, Pippa Schneider, Abgeordnete der Grünen im Niedersächsischen Landtag, René Kopka, Abgeordneter der SPD im Niedersächsischen Landtag und Florian Lillpopp, Ratsmitglied für Die Partei im Rat der Stadt Duderstadt beteiligten sich neben Abo-Hamoud an der Diskussion. Die wurde von Alexander Fröhlich und Frank Niederstraßer geleitet und ging natürlich zunächst einmal auf die Beteiligung junger Menschen in politischen Prozessen ein.

 

 

Sie seien unterrepräsentiert, räumte Kopka ein, daher fordere die SPD das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen. Besser seien Jugendparlamente, widersprach Körner, in Göttingen gibt es dieses Modell und Jugendliche könnten so (ohne Stimmrecht) an Sitzungen teilnehmen. Allerdings reiche es nicht aus, eine Scheinbeteiligung zu schaffen, machte Schneider ihren Standpunkt deutlich.


So gab es zunächst einmal den üblichen Austausch über bestimmte Positionen der Parteien, spätestens beim Thema außerparlamentarische Opposition, sprich Letzte Generation, wurde es dann aber lebhafter. Versagt die Politik, wenn junge Menschen auf die Straße gehen statt in die Parlamente, fragte Niederstraßer provokant und erntete damit zum Teil Verständnis für die Klimaaktivisten, zum Teil aber auch deutliche Statements, dass Straftaten nicht der richtige Weg seien.


In einer Demokratie bestimme immer noch die Mehrheit, machte Körner deutlich, und das seien nicht Menschen, die den Verkehr aufhalten. Allerdings seien es vor allem die oberen zehn Prozent, die das Klima schädigen, und es seien die Lobbyisten, die seit Jahren verhindern, dass Politik sich in Sachen Klimaschutz bewege, hielt Podstawa dagegen. „Die Hürden, politisch aktiv zu werden, sind gerade hier in Niedersachsen sehr gering“, erläuterte Lillpopp dazu.


Auch beim Thema Asylrecht gingen die Meinungen weit auseinander. Während auf der einen Seite vor extrem zunehmenden Schleusertätigkeiten gewarnt wurde, mahnte die andere, sich in der Migrationspolitik nicht von der extremen Rechten treiben zu lassen. „Nicht die Zahlen sind das Problem, sondern die Integration“, machte Abo-Hamoud seine Position deutlich, hier müssten wir noch viel Arbeit investieren. Dagegen argumentierte Kopka, es sei schon viel Geld in die Integration geflossen, ließ allerdings offen, ob dieses Geld auch die gewünschten Ergebnisse brachte.

 

 

Viel zu schnell war die Zeit um, doch in den Workshops und im persönlichen Gespräch mit den Politiker*innen gab es für die Schüler*innen ja die Möglichkeit, einige Punkte zu vertiefen und eigene Fragen, Sorgen und Wünsche zu formulieren. Zu Beginn gab es einen Poetry Slam-Beitrag von Matti Linke, zum Abschluss einen Rap von Tscharällo, so dass deutlich wurde, dass gesellschaftliche und politische Themen auch über die Kunst angesprochen werden können.


Schulleiterin Heike Lautenbacher war sehr zufrieden mit diesem Demokratietag, verwies aber deutlich darauf, dass sie für das Gelingen viel weniger verantwortlich sei als Alexander. Der wiederum sieht diesen Tag eher als Anfang einer Entwicklung, will sich weiterhin engagieren, zum einen im politischen Geschehen in Herzberg, zum anderen vielleicht auch, um weitere Veranstaltungen für junge Menschen und eben für die Demokratie auf den Weg zu bringen.

 

Auf dem Heimweg von diesem Pressetermin gingen mir viele Gedanken durch den Kopf. Ja, es gab die typischen Worthülsen und einige Statements, denen ich gerne widersprochen hätte. Insgesamt aber habe ich eine lebhafte, authentische und nachklingende Diskussion erlebt. Demokraten, die unterschiedlichste Meinungen habe, aber sich darüber austauschen, so dass die Schüler*innen sich am Ende ein eigenes Bild machen können. So soll es doch sein, oder?

 

Am meisten hat mich beeindruckt, dass all das von einem Schüler, also Alex und sicher ein paar anderen in seinem Umfeld ausging. Diese junge Generation möchte sich mit Politik auseinandersetzen. Sie möchte gehört werden, sie möchte beteiligt werden, sie möchte, dass unser System der Demokratie eben nicht von Populisten und anderen Kräften außer Kraft gesetzt wird. Da das offenbar die Mehrheit der jetzt Jugendlichen ist, denke ich, es lohnt sich in jedem Fall, für diese Demokratie zu kämpfen, damit sie eine Zukunft in Freiheit haben.