Pilgern in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag

Sieben Männer im Wald - Teil 1

 

Das silberne Licht des vollen Mondes scheint durch die noch kahlen Bäume und erhellt den Weg vor uns. Es geht ein Stück weit bergauf, unsere Schritte sind dank der Dunkelheit besonders deutlich zu hören. Das gilt auch für einen Vogel, den die sieben Männer im Wald da unten wohl erschreckt haben und der plötzlich auf und davonfliegt.


Sieben Männer, darunter Pastor Uwe Rumberg, der zu dieser ungewöhnlichen Pilgertour eingeladen hat. In der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag hier bei uns im Vorharz, genauer gesagt von Badenhausen über Eisdorf, Willensen bis nach Nienstedt. Insgesamt etwa 15 Kilometer. Eine Tour explizit für Männer, denn spezielle Angebote für Frauen gibt es in der Kirche sehr viele, so der Pastor. Mit dabei sind Stephan, Bernhard, die drei Brüder Wolfgang, Friedhelm und Jürgen und eben ich. Sieben Fremde, die sich gemeinsam zu Fuß auf den Weg machen und dabei die letzten Wege Jesu vor der Kreuzigung nachvollziehen wollen.


Getroffen haben wir uns zunächst in Nienstedt an der Kirche, von dort aus ging es mit dem Auto nach Badenhausen, eine Fahrt von knapp über fünf Minuten, bei der ich die Landschaft eigentlich noch nie bewusst wahrgenommen habe. Pfarrer Thomas Waubke (von der Landeskirche Braunschweig oder bei uns hier in der Hannoverschen Landeskirche auch liebevoll „Feindesland“ genannt) hat diesen Startpunkt zur Verfügung gestellt und uns sogar Brot und etwas zu Trinken hingestellt. Von der Kirche aus ging es dann erst einmal Richtung Burgruine Hindenburg und der Söse, dem kleinen Bach, dessen Plätschern uns noch häufiger in dieser Nacht begleiten wird. Dort in einem Pavillon, der wohl sonst eher als Grillplatz genutzt wird, feierten wir gemeinsam das Abendmahl.


Ausschließlich bei Kerzenlicht, kurz vor Mitternacht, umgeben von Bäumen und Dunkelheit. Uwe Rumberg erinnerte an das eigentliche Abendmahl, das letzte Abendmahl Jesu mit den zwölf Aposteln zur Zeit des Passafestes in Jerusalem. Dazu sangen wir das Taizé-Lied mit dem sich wiederholenden Text „Bleibet hier und wachet mit mir; wachet und betet“. Dieses Lied wird uns noch die gesamte Nacht hindurch begleiten.

 

 

Das Passafest wurde nach dem ersten Vollmond im Frühling gefeiert, weshalb sich auch Ostern nach diesem richtet. Der Mond wie gesagt steht hoch über uns am Himmel und sorgt dafür, dass wir überhaupt sicher einen Schritt vor den anderen setzen können. Die Brüder Jürgen, Friedhelm und Wolfgang haben die Ankündigung im Gemeindebrief Wollershausen, einer Gemeinde, die auch noch zu unserem Kirchenkreis gehört, gelesen und beschlossen, sich gemeinsam der Herausforderung zu stellen. So ist einer von ihnen extra aus Bad Gandersheim, der andere sogar aus dem westfälischen Minden angereist.


Die meiste Zeit des Weges lassen die drei sich ein wenig zurückfallen, haben einander viel zu erzählen. Immer wieder bekomme ich mit, wie sie sich gegenseitig aufziehen, sticheln und gemeinsam darüber lachen. Es muss echte Liebe unter Brüdern sein, die ein Leben lang den Charakter aus Kindertagen bewahrt. Irgendwie berührt mich das.


 Stephan hingegen erzählt uns vom Oxfam-Trailwalker, einem großen Spendenlauf über 100 Kilometer, der damals um Osterode stattfand und wo es ebenfalls durch die Nacht ging. „Ich hab schon viele Wanderungen gemacht, aber diese bei Dunkelheit ist mir besonders in Erinnerung geblieben“, sagt er.

 

 

Unser nächstes Ziel ist der Gipfel des Pagenberges, anschließend geht es zum Königstein, wo einst das Königreich Hannover und das Herzogtum Braunschweig aneinandergrenzten. Auf Ebene der Landeskirchen gibt es diese Grenze heute noch, wenn sie auch nicht mehr konfliktbelastet ist.


In den kurzen Ansprachen unseres Pastors geht es aber um die Konflikte des Verräters Judas und die Petrus‘, der Jesus noch in der Nacht des Verrats aus Angst vor Konsequenzen verleugnete. Durch die Stille der Nacht und die Monotonie der Schritte hallen diese Denkimpulse noch lange nach, die biblische Geschichte fühlt sich wie die Geräusche um uns und jede Veränderung des Bodens unter unseren Füßen viel intensiver an als während einer Predigt in der Kirche.


Es muss ein schwerer Gang für Jesus gewesen sein, verspottet für all das, was er uns für das Leben in dieser Welt mitgeben wollte, gekreuzigt. Immerhin rief er „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46). War er verlassen? Sollte uns musste alles so sein? Welche Bedeutung hat dieser Tod am Kreuz heute für uns?

 

 

Fortsetzung folgt...