Gute Flüchtlinge und böse Flüchtlinge

Irgendetwas ist anders als damals - Teil 2

 

Manchmal möchte ich sogar glauben, dass es gar keine Kriege geben würde, wenn wir in der Welt keine Machtstrukturen hätten. Dann könnten alle Menschen friedlich nebeneinander leben und jeder wäre nur darauf bedacht, dass ihm keiner allzu sehr auf den Sack geht und dementsprechend auch er keinem allzu sehr auf den Sack geht. Allerdings sollten uns schon erbitterte Nachbarschaftsstreitigkeiten um über den Zaun wachsende Bäume etc. eines Besseren belehren. Wir sind wohl ebenso dazu geboren, mit anderen um unser Recht zu streiten wie so viel Macht wie möglich zu erlangen.

 

Gerade der Punkt mit dem Streiten ist mir in den letzten Jahren immer wieder deutlich bewusst geworden. Es fing damit an, dass damals viele um die Aufnahme von Flüchtlingen stritten, meiner Meinung nach deutlich erbitterter als je zuvor und auch immer weniger darum bemüht, Kompromisse zu finden.

 

Diejenigen, die damals noch vereinzelt gewettert haben, Deutschland dürfe nicht zu viele Geflüchtete aufnehmen und die Ausländer seien schuld an unserem Niedergang, haben sich meiner Meinung nach in den Jahren seit 2015 immer mehr ideologisiert, organisiert und dann radikalisiert. Unsere Gesellschaft hat sich deutlich gespalten, sowohl im Persönlichen wie auch in Politik und Medien.

 

Rechte Parolen wurden salonfähig, es kamen Verschwörungstheorien vom großen Bevölkerungsaustausch bis hin zu Q-Anon hinzu und die jeweiligen Lager rückten immer mehr zusammen und dabei voneinander weg. Inzwischen gibt es genug Menschen, mit denen ich nicht mehr politisch oder gesellschaftlich diskutieren möchte, da ich alle Argumente ja bereits kenne und das Gefühl habe, dass Gespräche kaum mehr möglich sind.

 

 

In den Medien haben sich sogenannte Schwurbelkanäle tatsächlich etabliert, Fake News werden von einigen geradezu bis aufs Blut verteidigt, es scheint zum einen jenes Weltbild zu geben, das auf Wissenschaft basiert und unsere Welt so anerkennt, wie sie eben ist, zum anderen eines, dass einer wie auch immer definierten guten alten Zeit hinterhertrauert, alles infrage stellt, was nicht ins Bild passt und alles anzweifelt bis hin zur Kugelerde. Gut, es gibt noch Abstufungen, bei der flachen Erde und Chemtrails oder Echsenmenschen geht nicht jeder mit, aber grundsätzlich kommt mir unsere Gesellschaft inzwischen zweigeteilt vor.

 

Genau das fühlt sich eben anders an als 2015. Als Putin in die Ukraine einmarschierte, zeigten sich viele sofort solidarisch, es gab wie eingangs beschrieben dieses wunderbare Gefühl der Solidarität angesichts eines skrupellosen Kriegsverbrechers. Von einigen anderen kam jedoch in den ersten Tagen gar nichts oder nur Rumgeeier. Anschließend wurde Verständnis für Putin bekundet, während sie sich gegen die NATO und unsere Bundesregierung stellten. Und dann kamen immer mehr Fake News.

 

Den Anfang machten die bekannten politischen Akteure, ebenso die üblichen Schwurbler auf Twitter, Youtube und vermutlich Telegram. Es ist erstmal das übliche „Dagegen um jeden Preis“, wie auf Knopfdruck das Gegenteil der Mehrheitsmeinung, egal, wie unfassbar absurd das auch sein mag. So bezeichnete Bodo Schiffmann Putins Angriffskrieg als „Selbstverteidigung“ und übernimmt damit wie einige andere dessen Propaganda, dass die Ukraine der eigentliche Aggressor sei.

 

 

„Ist er schon so tief darin, dass er den Schwachsinn, den er redet, selber glaubt?“, fragt sich Sinan in seiner Youtube-Show „Sinans Woche“ (https://youtu.be/f-eAaeaHXNU) und stellt damit jene Frage, die auch ich mir bei vielen Querdenker-Vordenker so häufig stelle. In besagtem Video zeigt Sinan übrigens auch noch zahlreiche andere Statements von eben jenen, bei denen ich erwartet habe, dass sie alle einer Meinung und natürlich weit entfernt von der Mehrheitsmeinung sind, und bei denen ich immer wieder das Gefühl habe, dass sie das in erster Linie tun, weil sie damit ihrer empörten Anhängerschaft Futter bieten wollen.

 

Das hat es so 2015 meiner Meinung nach noch nicht gegeben oder, um es mit einer Kriegsmetapher auszudrücken, damals waren die Fronten innerhalb unserer Gesellschaft noch nicht so verhärtet. Inzwischen ist offenbar nichts mehr zu absurd als dass es nicht jemanden gibt, der im im Brustton der Überzeugung behauptet, ganz egal, ob nun der Krieg insgesamt als Fake der Eliten dargestellt wird oder aber zwischen den guten ukrainischen (weil arischen?) und den bösen arabischen und afrikanischen (weil nicht arischen?) Flüchtlingen unterschieden wird.

 

Als wenn der Krieg als solches nicht schon schlimm genug wäre, bringen mich solche Statements oder auch bewussten Provokationen, bringt mich solch offener Fremdenhass und Antiislamismus wirklich zum Kotzen. Da trauere ich beinahe selbst schon der guten alten Zeit hinterher, jener Zeit als wir uns 2015 noch über rassistische Äußerungen empört haben, statt wie heute schulterzuckend zu denken: Na, guck doch, von wem es kommt, war ja nicht anders zu erwarten.