Gretchen, wie hältst du es mit den Linken?

Peinliches politisches Taktieren in Thüringen

 

Was ist denn da bei unseren Nachbarn in Thüringen los? Sicher, die Wahl im Oktober brachte das Ergebnis mit sich, dass ausgerechnet die Partei, die politisch am weitesten links steht und die Partei des rechten Spektrums die meisten Stimmen haben. Dass das schwierig für eine Regierungsbildung ist, muss nicht extra erklärt werden. Doch muss das denn gleich dazu führen, dass sich sämtliche Parteien selbst zerlegen?

 

Zunächst gab es Anfang des Monats jene unsägliche Wahl zum Ministerpräsidenten, bei der der Kandidat der kleinsten Fraktion im Landtag sich am Ende völlig überrascht gab, dass die Rechten lieber ihn wählen als den „Klassenfeind“ zu akzeptieren. Der Tabubruch war da, ein Aufschrei ging durch die Republik und sämtliche Erklärungsversuche der FDP wirkten einfach nur lächerlich und hilflos.

 

An dieser Stelle sei aber auch ganz ernsthaft erwähnt, dass der Tabubruch des Paktierens mit den Rechten in den Medien, aber vor allem auch in der Bevölkerung eine Empörung lostrat, die einmal deutlich zeigte, wie die Mehrheit in diesem Land denkt und auch, dass solch ein Aufschrei der breiten Masse durchaus etwas bringt. Hätte es diesen nicht gegeben, wäre nämlich Thomas Kemmerich immer noch thüringischer Ministerpräsident, ins Amt gehoben von der AfD und damit durchaus Vorbild für andere, denen auch alles egal ist, wenn sie bloß ein Stück vom Kuchen der Macht abbekommen können.

 

 

Gerade für die CDU ist all dies eine durchaus existenzielle Frage. Wollen sie in Koalitionsfragen auch künftig auf ihrer klaren Ablehnung der Linken beharren? Das könnte aber bedeuten, dass sie früher oder später direkt oder indirekt mit den Rechten zusammenarbeiten und damit Linke und AfD auf eine Stufe stellen. Oder erkennen sie an, dass die Linke zwar viele grundsätzliche Themen komplett anders beurteilt, aber ja immerhin eine demokratische Partei ist, während die andere Seite durch die Duldung von Faschisten in ihrer Mitte dem sicher nicht entspricht? Genau das ist die Kernfrage, die insbesondere die CDU für sich zu klären gehabt hätte.

 

Statt einer Antwort trat dann aber wenig später die Vorsitzende zurück und lenkte die Diskussion damit von Landes- auf Bundesebene, von einer Auseinandersetzung über die Frage des Umgangs mit den Rechten hin zu einer Personaldebatte. In dieser zeigte sich, dass die Partei derzeit wenig zu bieten hat, wohl aber großes Potenzial, sich in internen Machtkämpfen aufzureiben. Ein Schelm, wer dabei an die letzten Jahre der SPD denkt, die damit in Thüringen ja immerhin noch acht Prozent der Wähler für sich begeistern konnten.

 

 

Nun meldete sich der frühere Ministerpräsident Bodo Ramelow zu wort, sicher auch nicht ganz uneigennützig, aber immerhin mit einem lösungsorientierten Vorschlag, der ausgerechnet die noch frühere CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ins Spiel brachte. Sicher, damit setzte er der CDU sozusagen die Pistole auf die Brust, indem er eigentlich fordert, sie sollen sich jetzt entscheiden, ob sie lieber mit den Linken oder den Rechten zusammenarbeiten.

 

Von Ramelow ist das ein durchaus kluger Schachzug, denn zum Einen bringt es die Regierungsbildung weiter, zum Zweiten fordert er die CDU zu einer klaren Aussage auf und zum Dritten ist dies natürlich eine generell für die Linken nicht ganz unbedeutende Frage für die politische Arbeit der nächsten Jahre. Leider eierte die CDU erst einmal nur herum, wirklich klare Aussagen blieben aus.

 

Ausgerechnet Christine Lieberknecht selbst ist es nun, die zur Vernunft mahnt und ganz offen eine Zusammenarbeit mit der Linken fordert. Weil es endlich weitergehen muss, weil es hier in erster Linie um Sachfragen und nicht um Posten geht und weil am Ende aus all diesem Chaos eben vor allem die Rechten profitieren und sich nun schon seit Wochen ins Fäustchen lachen können. Ihre Partei solle Ramelow unterstützen und damit Politik sich nicht noch weiter unglaubwürdig macht. Denn das ist es, worum es in erster Linie geht. „Ich habe mir das so nie träumen lassen“, wird sie im Spiegel zitiert, „aber wir müssen realpolitisch handeln, um das Land zu beruhigen.“