Wer kommt wann und wo?

Wundersame Weihnachtstraditionen

 

In den Innenstädten herrscht Konsumtrubel wie jedes Jahr und in den Medien wird wieder einmal darüber diskutiert, ob wir Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen oder einfach im Mittelmeer ertrinken lassen sollten. Überspitzt gesagt jedenfalls. Mich jedenfalls kotzt all das mehr und mehr an. Uns geht es gut, doch all das könnte ein Ende haben, denn „die“ uns unseren Wohlstand wegnehmen wollen. Wer immer „die“ auch sind.

 

Wir fühlen unsere Zukunft nicht etwa durch eine Industrie bedroht, die nicht radikal umdenken will, weil es ja teurer wäre, und auch nicht durch eine Politik, die keine Maßnahmen ergreift, weil es ja der Industrie schaden könnte. Nein, wir lassen uns von jugendlichen Klimaaktivisten triggern und von rechten Hetzern aufstacheln.

 

Seit Jahren geht das jetzt so, so kommt es mir vor. Seit Jahren lassen sich viele Menschen und Medien die Themen von jenen diktieren, die Angst vor dem Neuen oder vor dem Fremden schüren und damit ein Narrativ erschaffen, das uns in einer Opferrolle darstellt. Wir sind nicht das reiche Land, das den Klimawandel vorantreiben könnte, wir sind nicht das reiche Land, das noch viel mehr Menschen in Not helfen könnte, nein, wir sind diejenigen, die bald nichts mehr zu melden haben.

 

 

Wir tragen nicht etwa eine Mitschuld an der Welt, so wie sie ist, nein, wir müssen verteidigen, um nicht unterzugehen. Dabei werden Idealbilder heraufbeschworen, die es längst nicht mehr gibt und im Grunde auch nie gegeben hat. Und um diese Bilder zu verteidigen, sind alle Fake News recht und jede noch so absurde Verschwörungstheorie billig.

 

Inzwischen sind die Gräben in unserer Gesellschaft und selbst in meinem eigenen Umfeld so tief, dass ich nicht mehr daran glaube, sie noch überwinden zu können. Und es macht mich mehr und mehr mürbe, es überhaupt zu versuchen.

 

In den letzten Jahren habe ich viel für die Kirche gearbeitet und dabei festgestellt, dass es nicht nur wichtig ist, christliche Nächstenliebe aktiv zu leben, sondern auch unsere Pflicht. Vor allem gilt diese Nächstenliebe nicht nur für eine diffuse Gruppe, die einige durch Herkunft oder nationale Grenzen definieren wollen, sondern ganz nach dem Gleichnis des barmherzigen Samariters insbesondere auch für jene, die uns fremd und vielleicht auf den ersten Blick nicht einmal sympathisch sind.

 

 

Im Privaten habe ich mit D., F. und den Kindern zum Glück Menschen kennengelernt, die mir sehr sympathisch sind, die von Fremden zu Freunden wurden und bei denen ich spüre, was ein wenig Hilfe doch bewirken kann. Folglich sind sie auch diejenigen, mit denen ich in der Weihnachtszeit Zeit verbringen und die Welt da draußen manchmal ein Stück weit vergessen möchte.

 

Natürlich dreht sich bei S., A. und M. auch alles um Geschenke und sie sagen mir mehr als einmal, was sie sich alles wünschen würden. Allerdings haben gerade sie auch Verständnis dafür, wenn ich ihnen erkläre, dass eben nicht alle Wünsche erfüllt werden. Bei F. und D. gibt es keinen Weihnachtsbaum und keine sonstige kitschige Deko, dafür aber echte Freude, wenn wir uns treffen und durchaus intensive Gespräche.

 

Zum Beispiel fragte mich D. neulich, was es bei uns mit dem Nikolaus und dem Weihnachtsmann auf sich hat. Und warum kommt der eine am 6., der andere am 24. Dezember, beide bringen sie den Kindern Geschenke und zwischendurch gibt es noch einen Adventskalender, der möglichst auch mehr zu bieten haben muss als jeden Tag nur ein Stückchen Schokolade.

 

Anfangs tat ich mich schwer, ihm das zu erklären, ohne dabei wieder nur auf die Konsumgesellschaft zu schimpfen. Der Nikolaus, so erklärte ich, geht eben auf den real existierenden Bischof Nikolaus zurück, der Weihnachtsmann hingegen auf die wohl erfolgreichste Marketingidee der Welt und dann gibt es in Deutschland eigentlich auch noch das Christkind, das am Heiligen Abend die Geschenke gebracht hat. Das wiederum geht auf Jesus Christus zurück, was ja logisch ist, warum das Christkind hier in Deutschland allerdings ein blondgelocktes Mädchen ohne Migrationshintergrund sein muss und warum sich mancher aufregt, wenn es nicht so ist, kann ich leider nicht logisch erklären.

 

 

Jesus, Maria und Josef und die Weihnachtsgeschichte kennt D. als Kurde auch. Ebenso den Bischof Nikolaus, denn den gebe es in Syrien auch, erklärt er mir. Bei den Christen dort käme an Weihnachten der Weihnachtsmann „Baba Noel“, der auf eben jenen Bischof zurückgeht, doch der habe den Rest des Jahres, einschließlich des 6. Dezembers, frei. Das leuchtet mir ein, klingt für mich logisch und ergibt ja eigentlich auch mehr Sinn als eine erfundene Werbefigur.

 

Wir überlegen dann noch gemeinsam, wie es denn in anderen Ländern ist. F. weiß, dass der Weihnachtsmann in den USA Santa Claus und in Frankreich Père Noel heißt. Ob sich dahinter allerdings der Bischof oder der Coca-Cola-Mann verbirgt, wissen wir alle nicht. Ebenso wenig, ob ich anderen Ländern auch sowohl Nikolaus und Weihnachtsmann kommen oder doch das blondgelockte Christkind oder wer auch immer. Ist ja eigentlich auch egal.

 

Wichtig ist doch, dass wir alle bestimmte Traditionen haben, die uns wichtig sind und dass wir die Traditionen anderer respektieren. Wenn wir uns darüber austauschen, dann können wir entdecken, dass sie letztlich alle doch Gemeinsamkeiten haben. So zum Beispiel die, dass wir unseren Lieben gerne eine Freude machen und dass es beim Schenken eigentlich darum geht, dass wir uns und anderen gerade zum Jahresende Glück, Gesundheit und Frieden wünschen.