Bloß nicht von der Klimahysterie anstecken lassen

Leben und Sterben in der Bubble

Neulich schrieb ich für unser tägliches News-Portal einen Text. "Bloß nicht von der Klimahysterie anstecken lassen", nannte ich ihn. Um allen Unklarheiten vorzubeugen habe ich ihn gleich in der Unterzeile ganz deutlich als Glosse gekennzeichnet. Eigentlich groß genug, eigentlich im Journalismus auch keine ungewöhnliche Textform und meiner Meinung nach eigentlich auch ohne den Hinweis deutlich als solche zu erkennen. Aber okay. Bevor ich erzähle, was weiterhin passierte, hier erst einmal der Text:

 

 

"Extreme Hitze in ganz Deutschland und auch im Harz. Beinahe stündlich werden neue Temperaturrekorde vermeldet, die Medien überschlagen sich mit Tipps wie viel trinken oder in der Sonne keinen Hochleistungssport zu betreiben und in den sozialen Netzwerken gibt es kaum noch ein anderes Thema. Die einen posten Fotos aus dem Schwimmbad, die anderen lamentieren über den Klimawandel. Da kann das Gehirn dann schon mal Feuer fangen.

 

Wetter und Klima, das sind zwei verschiedene Dinge, betonen einige vehement. Stimmt ja auch. Schon immer gab es regionale Temperaturschwankungen, holen sie weiter aus, das hat nichts mit menschengemachtem Klimawandel zu tun. Ach. Also gibt es den gar nicht?

 

Naja zumindest lässt er sich nicht beweisen. Bei immer mehr Messstationen in Deutschland dürfen wir uns über neue Hitzerekorde nicht wundern. Aber was ist mit den Auswirkungen, die wir selbst regional spüren? Also trockene Böden und kahle Wälder hier im Harz und trockene Talsperren, die letztlich ja die Trinkwasserspeicher für große Teile Norddeutschlands sind. Dazu immer wieder Starkregenfälle, von denen selbst Nationalparkmitarbeiter behaupten, es habe sie in so kurzen Abständen früher nicht gegeben. Ist das nicht alarmierend?

 

 

Nicht unbedingt. Leere Talsperren gab es früher auch immer mal wieder, Regen sowieso, vieles hat auch mit unserer wachsenden Akribie des Datensammelns zu tun. Außerdem sind es ja nur regionale Phänomene und daher ist es Wetter und kein Klima.

 

Okay, gut. Nur gibt es diese Phänomene ja auch in anderen Regionen. Zum Beispiel in Afrika, wo durch die Dürre immer größere Gebiete zu unbewohnbaren Wüsten werden. Oder in der Arktis, wo der Permafrostboden langsam auftaut. Oder in Australien; dort werden gerade die schlimmsten Dürrekatastrophen seit Beginn der Aufzeichnungen vermeldet. Alles nur regionale Phänomene? Zumindest einige Forscher in der Schweiz sehen das anders und haben genau das jetzt auch in einer Studie veröffentlicht.

 

Sicher. Studien sogenannter Experten, die in den Mainstream-Medien veröffentlicht werden. All das ist doch Teil der Klimahysterie, die gerade von der links-grünen Mehrheitsgesellschaft angeheizt wird. Es lassen sich immer auch Wissenschaftler finden, die das Gegenteil beweisen. Und wenn nicht die, dann gilt eben immer noch, dass man sich ohnehin nicht auf die Lügenpresse, sondern vielmehr auf das eigene Urteilsvermögen verlassen sollte.

 

Ach und das eigene Urteilsvermögen stellt bei 35 Grad im Schatten dann fest, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gibt? Zumindest bei einigen, die auf den verschiedenen Plattformen sehr aktiv sind, ist das der Fall. Oft sind das auch genau die Leute, die sich bei kühleren Temperaturen über mangelnden Schweinefleischkonsum in deutschen Kitas, über die Diskriminierung von durch den Verfassungsschutz beobachteten patriotischen Gruppierungen oder über gemeingefährliche Schlepperbanden im Mittelmeer aufregen. Und natürlich über Greta Thunberg, die neben Angela Merkel und einigen anderen für all das verantwortlich zu sein scheint.

 

 

 

Warum eigentlich sind es ausgerechnet diese völlig harmlosen völkischen Patrioten, die den Klimawandel absolut nicht wahrhaben wollen? Könnten die Themen vielleicht sogar zusammenhängen? Mal angenommen, wir wäre wirklich für die hohen Temperaturen und damit auch für die Dürren und so weiter verantwortlich. Dann könnte es ja sogar unsere moralische Pflicht sein, jenen Menschen, die aus unbewohnbar gewordenen Gebieten fliehen, irgendwie unter die Arme zu greifen. Und wenn das, was sich gerade andeutet, in den nächsten Jahren so weitergeht, dann hätte Europa ja irgendwann gar keine sachlichen Argumente mehr, um sich gegen Menschen aus jenen Regionen, die wir über Jahrhundert ausgebeutet haben, abzuschotten.

 

Puh, das wäre aber ziemlich blöd. Dann sollten wir wohl doch besser jene Expertenmeinungen, die globale Zusammenhänge darstellen, als Hysterie darstellen und lieber unserer eigenen Wahrnehmung vertrauen, dass die Hitze nur regional und auch nicht von Dauer ist. Na, stimmt ja auch, denn wenn ich mich aus den sozialen Netzwerken ausklinke und vielleicht auch noch den Computer herunterfahre, wird es schon merklich kühler"

 

 

Soweit der Text also, ich hoffte, damit vielleicht doch einige Leser zum Nachdenken bringen zu können. Und ein bisschen Provokation darf ja wohl sein, vor allem von mir, wo ich mich in den sozialen Netzwerken durchaus als linksgrünversiffter Mainstream-Journalist betiteln lassen muss. (Eigentlich auch seltsam, dass das Wort "Mainstream" zum Schimpfwort werden kann, aber das ist eine andere Geschichte.)

Am nächsten Tag aber erreichte mich und auch die Redaktion eine bitteböse Mail. Eine Leserin empörte sich, wie wir einen solchen Text veröffentlichen könnten und warum die Redaktion mit jemandem wie mir zusammenarbeite, sie werde uns von nun an jedenfalls nicht mehr lesen. Was sie störte, war allerdings nicht etwa die vermeintliche linksgrünversiffte Provokation, nein, sie schrieb: Da können Sie ja auch gleich Werbung für die AfD machen!"  Als ich das las, musste ich mehrfach schlucken. Nicht, weil ich nicht mit Kritik umgehen kann, damit hatte ich ja gerechnet, aber weil ich nicht erwartet hatte, dass jemand den Text als rechte Propaganda verstehen könne.

Noch einmal traf mich dann der Schlag als ich den Namen der Leserin in eine Suchmaschine eingab. Sie ist Lehrerin, so das Ergebnis. An einer Berufsschule. Deutschlehrerin! Sorry, aber dazu fiel mir leider nichts mehr ein. Seitdem frage ich mich aber, ob wir mittlerweile so sehr in unseren Bubbles gefangen sind, ob unjsere Gesellschaft so sehr gespalten ist, dass wir allein bei bestimmten Signalworten vielleicht schon überreagieren und nicht mehr fähig sind, einen Text rational zu begreifen. Ist es wirklich so weit gekommen?