Was wurde aus der Willkommenskultur?

Erinnerungen an die Notunterkunft - Teil 1

 

Die Rehberg-Klinik in St. Andreasberg wurde einst als Heilstätte erbaut, war später ein Reha-Zentrum und stand dann leer bis sie 2015 zur Notunterkunft für Flüchtlinge wurde. Diese wurde im Sommer 2016 wieder geschlossen, so dass das Gebäude inzwischen erneut leer steht. Doch über die letzten Tage der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es einen Dokumentarfilm von Lalit Vachani, der kürzlich im Beisein der Filmemacher und mit Einladung zur Diskussion gezeigt wurde.

 

Zu diesem Filmabend waren jedoch nicht nur die Filmemacher, also Regisseur Lalit Vachani und Kameramann Olli Becker, gekommen, sondern auch einige ehemalige Mitarbeiter des ASB, der die Einrichtung betrieben hatte und sogar ehemalige Bewohner. Auch wenn ich selbst mit der Rehberg-Klinik relativ wenig zu tun hatte, wollte ich mir diesen filmischen Einblick und vor allem die anschließende Gespräche mit denen, die dort ihre Erfahrungen gemacht hatten, unbedingt gönnen.

 

Leider war dann nicht viel los und als ich ankam befürchtete ich im ersten Moment, Zeit oder Ort durcheinandergebracht zu haben. Doch in der Aula der Schule waren zahlreiche Sitzreihen aufgebaut, es gab Getränke und sogar ein paar Knabbereien, also war ich wohl richtig. Nur schien sich eben außer den unmittelbar Betroffenen kaum jemand für das dokumentarische Werk zu interessieren. Na gut, das Wetter war super und die Schließung inzwischen schon wieder ein paar Jahre her, doch immerhin war dies ein Film über eine turbulente Zeit, die es so in Deutschland vermutlich nicht wieder geben wird.

 

 

Alles war anfangs ziemlich unkoordiniert, berichteten die Mitarbeiter im Film, Spontaneität und Organisationstalent war gefragt. Zudem ging es laut und hektisch zu, doch alle, die dort arbeiteten, wollten in dieser Zeit unbedingt helfen, und diejenigen, die einzogen, waren dankbar für jede Hilfe, die ihnen die Ankunft in Deutschland ein Stück weit erleichterte.

 

Die Mitarbeiter des ASB und einige Ehrenamtliche schafften es, dass die Rehberg-Klinik wie so viele andere Einrichtungen in diesen Monaten nicht im Chaos versanken. Ein kurdischer Mitarbeiter berichtet, wie er 2012 selbst als Flüchtling nach Deutschland kam und ihm hier ehrenamtlich sehr geholfen wurde. Das war für ihn der Grund, warum er 2015 beschloss, diese Hilfe nun weiterzugeben.

 

All das waren Erfahrungen, die ich so gut nachvollziehen konnte, ja eigentlich ganz ähnlich ebenso erlebt hatte. Überhaupt gab es damals im Sommer 2015 ja so viele, die gerne helfen wollten, die sich schließlich auch irgendwie engagierten, sei es bei den Organisationen wie dem Roten Kreuz, den Johannitern oder wem auch immer, sei es in den Einrichtungen selbst auf welche Weise auch immer oder aber so wie wir, indem sie sich um diejenigen kümmerten, die aus den Erstaufnahmestellen auf die Kommunen und in eigene Wohnungen verteilt wurden.

 

 

Wo sind diese Menschen eigentlich geblieben, frage ich mich manchmal. Damals gab es eine ganze Reihe von Paten, die unglaublich engagiert Geflüchteten Deutsch beibringen wollten, sie auf den Wegen zu den Behörden begleiteten und und und. Inzwischen hatten sich viele von ihnen komplett zurückgezogen und D. sagt Rainer und mir manchmal, wie sehr ihn andere um seine Freundschaft zu uns beneiden. Was ist aus den anderen Paten geworden?

 

Erst vor einigen Tagen wurde in der Stadt jenes interkulturelle Fest gefeiert, das verschiedene Institutionen und zum Glück auch ich damals mit aus der Taufe gehoben haben. Beim ersten Mal war es so ein voller Erfolg gewesen, mit Musik aus verschiedenen Kulturkreisen, einem mehr als üppigen Buffet und vor allem mit gegenseitiger Neugier und dem großen Wunsch, die Neubürger kennenzulernen und willkommen zu heißen.

 

In diesem Jahr gab es auch Musik und ein ebenso großes Buffet wie damals, nur blieb am Ende mehr als die Hälfte übrig. Viele der Flüchtlinge waren gekommen. Gut, manche sind inzwischen in größere Städte gezogen oder es hat sie durch den Beruf an andere Orte verschlagen, doch von denjenigen die noch immer hier wohnen, waren viele da. Nur wo waren die Deutschen? Außer den Vertretern der Institutionen und Organisationen und den paar „üblichen Verdächtigen“ sah ich niemanden mehr, der mal einfach so vorbeikam, um eine neue Kultur besser kennenzulernen.

 

Fortsetzung folgt...