Freiheit. Aber wie lange noch?

Beklemmende Heimatgefühle

 

„Mach mal ein Foto vom Ortsschild in Freiheit“, lautete mein Auftrag. Also jenes Ortsschild, das ich noch im letzten Eintrag hier im Blog so schön als Symbolbild verwendet habe. Na, es gibt nun mal wenig Orte mit so wohlklingenden Namen. Außerdem schien die Sonne, der Himmel war blau und die Blätter der Bäume grün. Ein schönes Symbolfoto für irgendeinen Artikel also. Doch halt...

 

Dann erst sah ich mir den Aufkleber auf dem Schild genau an. Dass Straßenschilder mit irgendetwas beklebt oder auch besprayt werden, nun gut, aber dieser hier störte mich doch mehr als die meisten, die ich sonst so sah. „Nafri go home“, stand darauf („Nafri“ ist die polizeiinterne Bezeichnung für „nordafrikanischer Intensivtäter“), ein Sticker der Jungen Alternativen.

 

Die Jugendorganisation der AfD wird wegen ihrer migrations- und insbesondere islamfeindlichen Haltung als Verdachtsfall eingestuft. Hier in Osterode waren wir bis jetzt immer stolz auf die Integration, die wir in den vergangenen Jahren geleistet haben und auch darauf, dass die AfD bei den letzten Wahlen weniger Stimmen als im Bundesdurchschnitt bekam (Bei der Europawahl waren es 8,35 Prozent, bei der Bundestagswahl 8,92 Prozent.)

 

Ein solcher Aufkleber, zynischerweise auf dem Ortseingangsschild eines Ortes mit dem Namen Freiheit, zeigt aber, dass wir hier wohl doch nicht im Tal der Glückseligen leben. Wird es mit der Freiheit für einige vielleicht bald vorbei sein? Na gut, ich überdramatisiere wohl ein bisschen, sagte ich mir.

 

 

Dann aber lese ich die Nachrichten und nehme zur Kenntnis, dass der Bundestag verschärfte Abschieberegeln beschließt, in den sozialen Medien treffend als #HauAbGesetz“ betitelt, Bundesminister Seehofer schwadroniert darüber, dass Gesetze so zu formulieren seine, dass das Volk sie nicht verstehen kann, und bei der SPD wird von einer „Einwanderung in die Sozialsysteme“ gesprochen.

 

Wenn ich also im letzten Eintrag noch in der Vergangenheitsform davon schrieb, unsere Politik habe sich die Agenda von Wut- und Hutbürgern und Populisten diktieren lassen, so habe ich heute den Eindruck, dass wir leider schon einen Schritt weiter sind. Wenn laut Umfragen knapp 20 Prozent der Deutschen überzeugt sind, Ausländer kämen nur in unser Land, um die Sozialsysteme auszunutzen, und mehr als 40 Prozent denken, dass die meisten Asylsuchenden in ihrem Land gar nicht verfolgt werden, und eben auch, dass ein Großteil der Geflüchteten grundsätzlich kriminell ist, dann haben meiner Meinung nach die Rechten genau das erreicht, was sie erreichen wollten, und sind jetzt dabei, diese Ansichten auch auf breiter politischer Basis zu etablieren. Aber dazu werde ich mich demnächst noch einmal ein wenig ausführlicher auslassen.

 

 

Jetzt fällt mir dazu nur ein, dass D. neulich seinem Profilbild bei Facebook einen dieser Rahmen verpasste, die es dort ja gibt. Einen Rahmen mit der deutschen Flagge, weil er diesem Land so dankbar ist, weil er hier eine neue, sichere Heimat gefunden hat und weil er hier als Kurde nicht verfolgt wird, wie er mir später erklärte. Eigentlich eine schöne Idee.

 

Blöderweise musste ich ihn auf das kleine Parteilogo am Rande aufmerksam machen und den dazugehörigen Spruch, der vielleicht den einen oder anderen irritieren könnte. Da war zwar auch von der Liebe für dieses Land die Rede, aber seitens der AfD eben eine Liebe, die anscheinend nicht jeder empfinden darf bzw. die nur bei einigen auch auf Gegenliebe trifft. Nach meiner Erklärung tauschte D. sein Profilbild wieder aus und hat nun einen Rahmen mit kurdischer Flagge.

 

Mein Profilbild, egal in welchem sozialen Medium, wird von keiner Flagge geziert. Und auch nicht von sonstigen Symbolen. Nur das Ortsschild Freiheit – natürlich ohne Sticker – das könnte ich mir eventuell noch vorstellen.