Ein Künstler, der leider wenig Größe zeigt

Indirekter Eingriff in die Berichterstattung - Teil 2

 

Irgendwann ist er dann wieder da und auch dran, muss also auf die Bühne und ich muss zugeben, dass seine Texte richtig gut sind. In denen spricht er sich in klaren Worten für eine Welt ohne Vorurteile und gegen Rassismus und jede Art der Diskriminierung aus, was mir wirklich gefällt. Dann schließlich holt er seine Freundin mit auf die Bühne, sie ist übrigens auch Musikerin, doch eigentlich treten beide nicht mehr gemeinsam auf. An diesem Abend dann doch und insbesondere für die jungen Organisatoren wird es ein ganz spezieller Abend, denn die beiden lassen so etwas wie eine exklusive Clubatmosphäre entstehen.

 

Mit diesen Eindrücken und ziemlich emotionalen Fotos fahre ich schließlich nach Hause und bin mir sicher, dass ich einen guten Artikel schreiben kann, der vor allem zeigt, dass die Jugendlichen alles richtig gemacht und hier einen unvergleichlichen Livemoment geschaffen haben. Mein unvergleichlicher Moment kommt dann allerdings nur wenig später, denn da ruft der Künstler mich unerwartet an und möchte mit mir noch einmal über meine Berichterstattung reden.

 

Meine Pressemitteilung ist natürlich längst verschickt und auch das Interview ist online, doch genau das möchte er jetzt nicht mehr. Wie beim Konzert bereits erwähnt, tritt er nicht mehr gemeinsam mit seiner Freundin auf, daher möchte er keine gemeinsamen Fotos veröffentlicht sehen. Na gut, sage ich, dann schicke ich eine Korrektur und bitte darum, die Bilder nicht zu veröffentlichen. Blöd gelaufen, weil gerade das der spannendste Moment war, aber bevor ich mich streite, lenke ich lieber ein.

 

 

Später ruft er mich dann noch einmal an, jetzt möchte er, dass auch das Interview nicht veröffentlicht wird und im Text solle ich seine Freundin auch nicht erwähnen. „Dann hättest du dich nicht mit ihr öffentlich auf eine Bühne stellen sollen“, werfe ich mal kurz ein, doch darum gehe es gar nicht. Worum denn dann? Nun ja, er zeige in seinen Texten nun einmal Haltung und das gefalle in unserer heutigen Zeit nicht jedem.

 

Noch verstehe ich nicht. Also holt er weiter aus. Durch seine Texte und Äußerungen gebe es im Moment im Netz viele rechte Trolle, die alles tun, um ihm zu schaden, daher wolle er denen keine Angriffsfläche bieten. Was das mit gemeinsamen Auftritten mit seiner Freundin zu tun hat, verstehe ich immer noch nicht und ehrlich gesagt ärgert mich inzwischen auch, dass ihm das erst jetzt einfällt.

 

Er ruft mich an diesem Abend dann noch ein weiteres Mal an, bittet mich, die entsprechenden Passagen zu löschen, ich könne nun mal nicht verstehen, was so abgeht, er kenne auch etliche andere, die sich gegen Rechts positionieren und wisse, womit die zu kämpfen haben. „Du, ich bin auch nicht erst seit gestern Journalist“, werfe ich ein, „und ich bin eigentlich überzeugt, dass es falsch ist, aus Angst den Schwanz einzuziehen und sich einschüchtern zu lassen.“ Nein, ich verstehe das nicht, beharrt er weiter. Nein, tue ich auch nicht.

 

 

„Meinst du nicht, wenn ich jetzt eine weitere Korrektur meines Pressetextes an die verschiedenen Redaktionen schicke, dass dann vielleicht der eine oder andere Journalist erst recht hellhörig wird und die Geschichte vielleicht noch größer macht als dir lieb ist?“ Auch das prallt völlig an ihm ab, so dass ich schließlich eigentlich nur noch genervt bin und meinen Text ein weiteres Mal umschreibe und all das, was diesen Abend für mich besonders gemacht hat, herausstreiche.

 

Natürlich hätte ich mich auf eine weitere Diskussion einlassen können und auf meine freie Berichterstattung pochen können und so weiter und so fort. Doch letztlich ist es schlicht nicht wichtig genug. Mir geht es ja vor allem darum, dass ich die Jugendlichen für ihr tolles Engagement lobe. Das kann ich auch, ohne einen sich offenbar für immens wichtig haltenden Musiker besonders herauszustellen.

 

Dennoch beschäftigt mich die Geschichte noch eine Weile. Zwar kann ich mir nach wie vor nicht zusammenreimen, warum der gemeinsame Auftritt rechten Trollen Futter geben soll, doch viel schlimmer finde ich eigentlich etwas anderes. Nämlich dass sowohl dieser Musiker wie auch ich uns am Ende offenbar von denen vorschreiben lassen, was in der Zeitung steht. Er, weil er irgendetwas befürchtet und ich, weil ich einfach keine Lust auf die Auseinandersetzung hatte. Das sind zwar noch keine Fake News, ein indirekter Eingriff in die Pressefreiheit ist es aber strenggenommen trotzdem. Und dass sowas ausgerechnet bei einem Konzert für Toleranz passiert, ist im Grunde ziemlich zynisch.