Mit der Gutachterin auf dem Dachboden

Streit mit dem Vermieter und kein Ende - Teil 1

 

Die neue Wohnung ist längst eingerichtet, der Streit über die alte aber immer noch nicht beigelegt. Die alten Vermieter beharren darauf, dass der Schimmel auf falsches Lüften und nasse zum Trocknen aufgehängte Wäsche in der Wohnung zurückzuführen ist. Daher bestehen sie auf den noch ausstehenden Monatsmieten und wollen vor allem die Kaution nicht rausrücken.

 

Inzwischen haben wir einen Anwalt eingeschaltet, der mehrfach Briefe geschickt und Kompromissvorschläge gemacht hat, doch gebracht hat das bis jetzt nichts. Rainer hat sich mehrfach am Telefon mit den Vermietern auseinandergesetzt, denn immerhin müssen F. und D. gerade jetzt jeden Cent umdrehen. Zwar hatten sie in der Wohnung Möbel, nämlich zum großen Teil immer noch jene, die ihnen damals als Erstausstattung gestellt worden waren, doch die haben entweder den Umzug oder aber unserer Begutachtung nicht standgehalten. Vieles ist beim leichten Anfassen schon auseinander gefallen, anderes wurde von Rainer und mir dann rigoros als Sperrmüll erklärt.

 

Zwischendurch haben wir D. und F. noch erklärt, dass auch in Deutschland Fliesentische und Schrankwände in Eiche rustikal nicht mehr modern sind und es durchaus auch geschmackvoll eingerichtete Wohnungen gibt. Gut, verglichen mit dem Pomp, den uns beide aus früheren syrischen Wohnungen und insbesondere aus arabischen Fernsehsendungen zeigen, ist wohl jede deutsche Wohnung ausgesprochen schlicht.

 

 

Auch das, was die beiden uns im Internet an Möbeln, die sie gerne hätten, gezeigt haben, traf nicht unbedingt unseren Geschmack und hätte so geballt aus jedem deutschen Wohnzimmer vermutlich einen Palast gemacht. Zum Glück haben sie sich jetzt doch etwas heruntergeschraubt und einen Mittelweg zwischen arabischem Schick und deutschem Flüchtlings-Geldbeutel gefunden. Da ist selbst ja durchaus für Deko und Verspieltes zu haben bin, gefällt mir das Ergebnis inzwischen richtig gut.

 

Weniger gefällt mir allerdings dieser nun seit gefühlten Ewigkeiten andauernde Streit mit den Vermietern. Ginge es nur um mich hätte ich vermutlich längst aufgegeben und zähneknirschend auf das Geld verzichtet, hier geht es mittlerweile aber ums Prinzip und wenn es ums Prinzip geht, dann können selbst wir Deutschen erbittert kämpfen.

 

Zu unserem Glück sind wir ja nicht ganz allein, schließlich bekommt D. sein Geld um Moment noch vom Staat, so dass auch der Landkreis durchaus etwas mit dieser Angelegenheit zu tun hat, genaugenommen die Kaution für die Wohnung ja gezahlt und dementsprechend auch Anspruch darauf hat. Daher bewilligen sie uns auf Nachfrage des Anwalts schließlich einen Gutachter.

 

Zum vereinbarten Termin bin ich da, noch haben wir die Schlüsselübergabe ja hinausgezögert, und auch D. ist mit dabei. Die Vermieter zum Glück nicht. Daher begrüßen wir die nette Dame vom Landkreis einigermaßen hoffnungsvoll, auch wenn sie mir ziemlich direkt offenbart, dass sie ja bloß Gutachterin, aber keine Expertin für Schimmel sei. Na, was soll's, immerhin stehen wir nicht mehr ganz allein da.

 

D. und ich führen sie durch die nun leere Wohnung, in der die diversen Schimmelflecken an den Wänden natürlich noch mehr auffallen. „Und das ist wirklich in jedem Zimmer?“, fragt die Gutachterin. „Ja, überall, obwohl wir nicht überall unsere Wäsche getrocknet haben“, antwortet D. geistesgegenwärtig. „Besonders ist es an allen Dachschrägen“, ergänze ich und deute auf die entsprechenden dunklen Stellen.

 

 

Tatsächlich nimmt sich die Dame viel Zeit, guckt sich alles sehr genau an und bittet dann auch darum, einmal auf den Dachboden blicken zu dürfen. Dort oben war ich auch noch nie. Umso mehr fällt mir gleich auf, dass der Holzboden hier voller Wasserflecken ist, alles sieht nicht sonderlich einladend aus und auch, wenn ich weder Experte noch Gutachter bin, erscheint mir all das hier nicht nach neuesten Standards gedämmt. Diesen Eindruck bestätigt auch die Frau vom Amt, macht sich Notizen und erklärt dann abermals: „Also ich bin ja keine Sachverständige... aber was ich hier sehe, spricht für mich nicht für falsches Lüften.“

 

Das ist doch genau der Satz, den wir hören wollten. Das Ergebnis jedoch bekommen wir dann schriftlich, klärt sie uns noch auf, das könne ein paar Tage dauern. Mir egal, ich bin erst einmal froh, dass sie uns bestätigt und uns Hoffnung macht. Denn bei mir ist es nun einmal so, je länger so ein Streit dauert, desto häufiger hinterfrage ich mich, ob die andere Partei nicht vielleicht doch im Recht sein könnte. Jurist dürfte ich mit diesem Charakterzug nicht werden, doch ich bin ja auch nicht D.s Anwalt, sondern lediglich ein Freund, der all das ehrenamtlich auf sich nimmt. Allerdings hinterfrage ich mich da inzwischen auch manchmal, ob ich es gemacht hätte, wenn ich vorher gewusst hätte, was da alles auf mich zukommt.

 

Fortsetzung folgt...