Kampfbereite Demonstranten?

Land der Dichter und Denker - Teil 2

 

Wenn es nicht so ernst und erschreckend wäre, dann würde ich das alles wohl ziemlich lächerlich finden. Doch in der großen Politik erfahren wir leider immer wieder, wie ernst das alles werden kann, wenn selbst Politiker etablierter Parteien populistische Reden schwingen, weil sie meinen, sie könnten die ideologischen Kleingärtner unter ihren Wählern damit wieder einfangen. Und auch im Kleinen beobachte ich leider immer wieder, dass all das die öffentliche Diskussion bestimmt.

 

Selbst bei uns in der ach so heilen Provinz gab es in den vergangenen Jahren vermehrt Kundgebungen und Demonstrationen, bei denen menschenverachtende Parolen in die Welt hinausgebrüllt wurden. Zum Glück aber auch immer wieder Gegendemontrationen, die deutlich gemacht haben, dass die Rechten eben noch lange nicht die Mehrheit sind. Bei etlichen dieser Veranstaltungen war ich dabei, teils um darüber zu berichten, teils um es mir einfach anzusehen.

 

Besonders in Erinnerung ist mir der Aufmarsch eines sogenannten Freundeskreises, gegen den später auch die Staatsanwaltschaft ermittelte. Die „Freunde“ trafen sich regelmäßig in verschiedenen Städten in der Region zu Kundgebungen, fast immer gab es eine deutlich größere Zahl von Gegendemonstranten und nicht selten war in der Presse hinterher von eskalierender Gewalt insbesondere seitens der Anhänger der Antifa zu lesen.

 

Als nun eine Veranstaltung in der Nachbarstadt angekündigt war, wollte ich mir das ganze als Pressevertreter einmal ansehen und mir ein eigenes Bild machen. Schon als ich ankam, mein Auto in einer Seitenstraße parkte und dann einfach dem Lärm nachging, war mir klar, dass die Stimmung an diesem Tag ziemlich aufgeheizt war. In den sozialen Netzwerken kursierte alles Mögliche, so wie in den sozialen Netzwerken ja immer alles Mögliche kursiert. Darauf gebe ich nicht viel.

 

 

Ziemlich am Rande des ganzen Trubels fing mich eine flüchtige Bekannte ab und raunte mir zu, ich solle ein wenig vorsichtig sein, wenn ich Fotos mache, die Stimmung sei aufgeheizt und etliche Schwarzgekleidete suchten nur nach einem Vorwand, um losschlagen zu können. Na gut, sagte ich mir, als Pussy hätte ich den Job als Journalist nicht wählen dürfen. Nein, das sagte ich mir natürlich nicht, aber es hätte doch in dieser Erzählung gut geklungen, wenn ich es mir gesagt hätte, oder nicht?

 

Stattdessen näherte ich mich dem Geschehen vorsichtig, machte zunächst Bilder aus der Entfernung, denn mit erkennbaren Gesichtern ist das ja so eine Sache. Was ich sah, waren zum Teil tatsächlich Vertreter, die ich der Antifa zuordnete, die mit lauter Musik und durchs Megafon gerufenen Parolen die rechten „Freunde“ zu übertönen versuchten und bunte Plakate vom Schlage „Refugees welcome“ schwenkten. Einschüchternd oder gar bedrohlich wirkte das auf mich jetzt nicht gerade. Vor allem nicht, weil sich in den Reihen dahinter viele auch mir bekannte Vertreter der Stadt, umliegender Städte, des Landkreises und einfach ziemlich viele „normale“ Bürger versammelt hatten.

 

Nur von den eigentlichen Veranstaltern bekam ich noch relativ wenig zu sehen. Also musste ich wohl doch näher ran und mir meinen Weg durch die Menge der Gegendemonstranten bahnen. Immerhin wollte ich wirklich Bilder von dort, wo sich beide Gruppen, getrennt von Einsatzkräften der Polizei, gegenüberstanden. Bewaffnet mit meiner Kamera bahnte ich mir meinen Weg nach vorne und zu meiner Überraschung wurde ich ziemlich schnell von allen durchgelassen. „Bist du von der Presse?“, fragte mich jemand. Als ich bejahte, machten alle noch viel schneller Platz und irgendwann hörte ich sogar jemanden rufen: „Komm hierher, hier hast du richtig gute Sicht...“

 

 

So gelangte ich ziemlich zügig bis an die Absperrung und konnte meine Bilder von den Polizisten und auch dem recht überschaubaren ätzende Parolen abfeuernden Grüppchen der Rechten machen. Von eskalierender Gewalt war hier, wo ich mich befand, jedenfalls nichts zu spüren. Dennoch hatte die gesamte Situation natürlich etwas Beklemmende, hier meinte ich zu spüren, wie tief eigentlich der Graben war, der sich mittlerweile durch unsere Gesellschaft zog.

 

Nun kam aber doch der Journalist in mir durch und auch, wenn mir privat klar war, auf welcher Seite ich hier stand, musste ich aus beruflicher Sicht auch die andere Seite dokumentieren. Folglich machte ich mich auf den Weg zum Einsatzleiter der Polizei und fragte einmal an, ob es okay sei, wenn ich mich hinter die Absperrung und zu den „Freunden“ wagte, um auch dort Bilder zu machen und vielleicht sogar einige Stimmen einzufangen. „Kannst du ja versuchen, Herr Dolle“, kam die Antwort, „aber halt dich ein bisschen zurück, denn es kann sein, dass einige von denen das nicht so gerne mögen und wir haben im Moment genug zu tun, so dass wir uns nicht auch noch um dich kümmern wollen.“

 

Also stellte ich mich mal naiv, ging offen auf das Grüppchen zu und zückte meine Kamera. Sofort steuerte ein Ordner der „Freunde“ auf mich zu und fragte, was ich denn hier wolle. Ich sei Journalist und wenn in der Stadt was los ist, dann sei es meine Aufgabe, darüber zu berichten, antwortete ich wahrheitsgemäß. Während ich dann also Fotos machte, baute er sich immer breiter vor mir auf, sagte nichts, wollte mir offenbar nonverbal einiges deutlich machen.

 

Tatsächlich machte ich noch einige Bilder von den besorgten „Freunden“ und ihren meiner Bannern mit meiner Meinung nach menschenverachtenden Parolen, entschied mich dann aber dafür, den Rückzug anzutreten und den netten Mann, der sich immer neu vor mir in Pose setzte, nicht weiter zu provozieren. Natürlich hätte ich auf eine Weise Lust gehabt, das Spiel noch ein wenig weiter mitzuspielen und vielleicht auch ihn noch einmal direkt – wie es seit dem „Hutbürger-Vorfall“ so schön heißt „ins Gesicht“ - zu fotografieren, doch wem hätte das am Ende genutzt?

 

Also machte ich mich auf den Rückweg, ich hatte gesehen, was es zu sehen gab. Keine eskalierende Gewalt, aber durchaus aufgeheizte Stimmung. Eigentlich bedarf dieses Erlebnis keines weiteren Kommentars und ebenso dachte ich, dass sich auch meine Leser selbst ein Bild machen konnten. Gut, wir sind hier in der Provinz und meine Erfahrungen mit Demonstrationen sind sicher nicht repräsentativ, doch dass all diese „Kleingärtner-Freunde“ nur besorgte Bürger sind und die Linken ebenso schlimm, wie uns manchmal in den Medien eingeredet wird, den Eindruck kann ich nun mal nicht bestätigen.