Einmal zum Ninja werden

Schimmel on the Wall - Teil 1

 

Als Rainer und ich bei D. ankommen, fallen erst einmal wie gewohnt die Kinder über uns her. M. erklärt uns, dass er ein Ninja ist und will gegen uns kämpfen. A. hat im Kindergarten ein Bild gemalt, dass sie uns zeigen will. Und S. lernt in der Schule gerade erste Rechenaufgaben und möchte, dass wir ihr welche stellen. Kopfrechnen, ein Bild bewundern und gleichzeitig gegen einen Ninja kämpfen ist gar nicht so leicht, stelle ich fest.

 

Rainer macht sich sofort über einige Dokumente her, die noch ausgefüllt und an die Behörden zurückgeschickt werden müssen. Okay, dann kämpfe ich doch lieber kunstbegeistert und mathematisierend gegen den kleinen Krieger. Dass uns die größten Kämpfe noch bevorstehen, ahnen wir in diesem Moment nicht. Daher essen wir kurz darauf erst einmal alle gemeinsam ganz gemütlich, wenn auch nicht, ohne F. wieder einmal zu ermahnen, sie solle sich nicht verpflichtet fühlen, für uns zu kochen.

 

Allerdings fürchte ich, dass es ihrerseits keine Verpflichtung ist, sondern eine Mischung aus syrischer Gastfreundschaft, wo es nun einmal dazugehört, Gäste opulent zu bewirten, und dem Wunsch uns etwas zurückzugeben. Doch unsere Freundschaft ist keinesfalls eine Einbahnstraße. Immerhin bekommen wir S.s Schulerfolge mit, A.s Gemälde und dürfen mit M. asiatische Kampfkünste trainieren. Das ist Dank genug, auch wenn Rainer und ich uns einig sind, dass seitens der Behörden, für die wir ja im Grunde auch wie fleißige Bienchen arbeiten, durchaus mehr kommen dürfte.

 

 

Nach dem Essen hat D. noch ein ernstes Anliegen. „Da ist schon wieder Schimmel im Badezimmer“, stellt er fest, „was soll ich denn machen?“ Vor einigen Wochen hatten wir das Problem schon einmal. Da haben wir irgendein teures und penetrant nach Chlor stinkendes Zeug gekauft, damit sämtliche Fugen eingesprüht und geschrubbt und F. und D. geraten, die Prozedur bei Bedarf zu wiederholen.

 

Auch im Wohnzimmer an der Wand zum Balkon haben wir in den Fensterlaibungen schon Schimmel entdeckt und auch hier haben D. und F. ihn wohl inzwischen häufiger entfernt. Ehrlich gesagt haben wir auch nicht regelmäßig nachgeschaut. Ganz zu Anfang hatten wir den beiden ja auch ein zweisprachiges Plakat zum Thema richtige Lüften mitgebracht und wenn ich sehe, wie viel sauberer die Wohnung als meine eigene ist, dann bin ich überzeugt, dass der Schimmel andere Ursachen hat. Die Vermieter sollen uns allerdings schon bald eines besseren belehren.

 

„Ich setze mal einen Brief an die beiden auf und bitte sie, dass sie jetzt endlich etwas unternehmen“, schlägt Rainer vor. Genau wie ich es erwartet habe, mailt er mir den Entwurf noch am gleichen Abend zu, fragt mich, ob es sachlich genug und korrekt ist und als ich bejahe, schickt er das Schreiben auch umgehend ab. Damit sollte das Problem aus der Welt geschafft sein, denken wir an jenem Abend, haben uns aber gründlich getäuscht.

 

 

Wenige Tage später passt uns Frau Vermieterin ab als wir gerade aus dem Auto steigen und erklärt uns ebenso wortreich wie aufgebracht, dass der Schimmel eben doch vom falschen Lüften herrühre, außerdem davon, dass die Familie immer tropfnasse Wäsche in der Wohnung aufhänge, nicht richtig heize, die Kinder mit nassen Schuhen oder Socken durch die Wohnung laufen und überhaupt habe sie in der Wohnung unten im Haus keinen Schimmel und oben auch noch nie gehabt. Nach ihrem Redeschwall müssen wir erst einmal Luft holen.

 

„Sie sehen es so, wir sehen es anders“, erklärt Rainer beschwichtigend, „wichtig ist nur, dass wir jetzt eine Lösung finden und da kann es nicht sein, dass Sie das allein auf die Mieter abwälzen.“ Das sieht Frau Vermieterin leider ganz anders und wiederholt ihre Argumente noch einmal, diesmal allerdings mit gefühlt doppelt so vielen Worten. „Zur Not muss man eben ein Gutachten einholen“, beendet Rainer das Gespräch schließlich und bevor wir noch zu kampflustigen Ninjas werden, lassen wir die gute Frau einfach stehen.

 

Oben in der Wohnung angekommen will D. wissen, was los war. Wir schildern es ihm, versprechen, uns darum zu kümmern, doch er macht trotzdem noch einen bedrückten Eindruck. Er habe festgestellt, dass der Schimmel nicht nur im Bad und im Wohnzimmer ist, sondern auch im Kinderzimmer, ebenfalls an den Fenstern und auch hinter dem Kleiderschrank, der an der Wand zum Balkon steht. Das Problem ist also doch größer als wir dachten und muss jetzt so schnell wie möglich aus der Welt geschafft werden.

 

Fortsetzung folgt...