Widerstand gegen Rechtspopulismus

Innere Glaubenskriege - Teil 2

 

Wenige Tage später sollte ich bei einer Veranstaltung des Kirchenkreises über einen Vortrag von Pastor Wilfried Manneke berichten. Der ist Pastor in der Südheide, in einem Dorf, das seit Jahrzehnten als Hochburg der Neonazis gilt und als Veranstaltungsort für Sonnwendfeiern und andere Feste gilt. Manneke begann vor über zwanzig Jahren dagegen zu protestieren und ist bis heute eine der vehementesten Gegenstimmen zu den rechten Parolen, die dort unverhohlen verbreitet werden.

 

In seinem Vortrag zitierte er eine Studie, die ich so noch nicht gehört hatte und die mich zutiefst erschreckte. Etwa 20 Prozent aller evangelischen Christen unterstützen demnach rechtsextremes Gedankengut. Zwar weiß ich nicht, wie belastbar diese Zahl ist, doch auch nach diesem Abend ging sie mir lange nicht aus dem Kopf und bereitete mir Magenschmerzen.

 

„Rechtsextremismus und christlicher Glaube sind unvereinbar“, hielt Pastor Wilfried Manneke entschieden dagegen. Durch Konfirmanden, die mit rechten Parolen um sich warfen, wurde er auf die Neonazis in seinem und in den Nachbarorten aufmerksam und wollte im Sinne der Jugendlichen etwas dagegensetzen. Zunächst habe er versucht, Kontakt aufzunehmen und Gespräche zu führen, berichtete er, später gab es Drohungen gegen ihn, sogar Brandanschläge auf das Pfarrhaus. „Bis heute gibt es Nazitreffen in der Region“, sagte Manneke, „Das ist alles andere als harmlos.“

 

„Unser Kreuz hat keine Haken“, lautet das Motto der Initiative Kirche für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, die er mitbegründete. Sie soll deutlich machen, dass vor Gott alle Menschen gleich sind und ihre Würde unantastbar. Sie betont, dass Kirche multikulturell ist, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpft und dass Protestantismus auf Demokratie setzt sowie sich für Frieden und Gerechtigkeit eintritt.

 

 

All dies lasse sich biblisch begründen, so dass eindeutig klar werde, wie gegensätzlich christliche Werte zum Weltbild der Nazis, Neonazis und Sympathisanten passen. Gerade im Gleichnis des barmherzigen Samariters gehe es um bedingungslose Hilfe, unabhängig von Herkunft, Stellung und anderer Merkmale, so Manneke. Und genau dies sei nun einmal die Definition christlicher Nächstenliebe, die mit rechten Positionen unvereinbar ist, und Nächstenliebe verlange Klarheit.

 

Gerade im Hinblick auf meine Erlebnisse mit Peter Hahne, taten mir diese Worte in diesem Moment ausgesprochen gut. Es gibt sie also doch noch, die weltoffene Kirche, die sich traut, Farbe zu bekennen, sagte ich mir. Gut, klar und deutlich war das, was Peter Hahne sagte auch, doch Pastor Manneke machte deutlich, dass es eben auch eine ganz andere Meinung gibt. Und seine Ausführungen waren deutlich weniger populistisch, sondern fundiert, persönlich und für mich sehr beeindruckend.

 

Offenbar sahen das aber an jenem Abend nicht alle so, denn in der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass einige innerhalb der Kirche viel zögerlicher vorgehen würden und überhaupt die Gefahr von Rechts erst einmal weit von sich schoben. Sowas passiert vielleicht in der Südheide, aber doch nicht bei uns. Dieser Gedanke, so schien es mir, schwebte unausgesprochen durch den Saal. Und wenn, dann ist es doch höchstens Populismus, aber keinesfalls gleich Extremismus. Dieser Gedanke wurde dann auch laut ausgesprochen.

 

 

Wie klar Wilfried Manneke diese Unvereinbarkeit zwischen rechtem Gedankengut und dem christlichen Glauben sieht, wurde deutlich als er ganz entschieden feststellte: „Manche unterscheiden säuberlich zwischen Rechtsextremisten und Rechtspopulisten, ich trenne da nicht so sehr.“ Das schmeckte erst einmal nicht jedem, doch Pastor Manneke führte aus, dass viele Positionen absolut identisch seien und oft seien es somit nur die Sprache und die Strategien, die das eine vom anderen trenne.

 

Aktuell würden Meinungen salonfähig gemacht, die den Werten des Christentums grundlegend widersprechen, so dass er zu der Ansicht kommt: „Ich halte die AfD für sehr gefährlich.“ Auch hier gab es im Plenum andere Meinungen und es wurde davor gewarnt, Menschen mit bestimmten Meinungen nicht zu schnell in die rechte Ecke zu drücken. Es müsse darum gehen, mit diesen Menschen in den Dialog zu treten, so eine von vielen vertretene Meinung.

 

Leider bin ich inzwischen zu der Überzeugung gekommen, dass ein Dialog oft nichts mehr bringt, weil die Meinungen sich gerade in den letzten Jahren deutlich verfestigt haben. Insbesondere die Meinungen derer im rechten Spektrum, während andere es inzwischen akzeptieren, dass „Gutmensch“ zum Schimpfwort wird und überall nur noch Verständnis für Verunsicherung, Wut und Hass aufgebracht wird. Daher wünsche ich mir oft viel deutlichere Worte derer, die all die Ängste, die die Rechten schüren, nicht teilen, sondern darauf hinweisen, dass christliche Werte keine nationalistischen sind und eine weltoffene Gesellschaft kein Zeichen von Schwäche.