Verbotene Freundschaften

Kuchen zu Ramadan - Teil 1

 

Es ist Sonntag, die Sonne strahlt, ich mache einen kleinen Spaziergang. Dabei komme ich auch beim Bäcker vorbei und aus einer Laune heraus kaufe ich ein paar Stück Kuchen und mache mich dann auf den Weg zu F., D. und den Kindern. Mir kommt die Idee grandios vor, passt zu diesem perfekten Tag. Zumindest denke ich das bis ich bei der Eisdiele Freunde von mir treffe und mit ihnen ins Plaudern komme.

 

„Ach, fastet die Familie gar nicht? Es ist doch Ramadan“, sagen sie und ich erstarre plötzlich. Wie gesagt: Sonntag, Sonne, an nichts denken. Das kann ich gut. Na egal. Zur Not müssen sie den Kuchen eben in den Kühlschrank stellen und heute Abend essen, sage ich, fest entschlossen, mich nicht aus dem Tritt bringen zu lassen. „Ja, klar“, kommt prompt die Antwort von meinen Freunden, „du weißt doch aber, wie das mit der arabischen Gastfreundschaft ist. Am Ende musst du dann den Kuchen essen und alle sehen dir dabei zu.“

 

Die beiden lachen, ich lache mit. Zumindest äußerlich. Im Hinterkopf spiele ich währenddessen kurz all meine Möglichkeiten durch. Entweder gehe ich noch einmal nach Hause und werde mich die nächsten zwei Tage nur noch von Kuchen ernähren, oder ich verschiebe meinen Besuch auf nach Sonnenuntergang, oder ich stelle mich mitten in die Fußgängerzone, verschenke den Kuchen und tue dann so als sei nichts gewesen. Wäre auf jeden Fall mal was anderes als Straßenmalerei oder Straßenmusik, kommt mir aber trotzdem ziemlich dämlich vor.

 

 

Letztlich beschließe ich, mich als unachtsam zu outen und setze meinen Weg wie geplant fort. Irgendeine Lösung wird sich für den Kuchen schon finden. Zur Not schmachten ihn die drei Kinder eben stundenlang an, bevor sie dann vorm Schlafengehen noch ein Stück essen dürfen, woraufhin sie vermutlich Bauchschmerzen bekommen und keiner eine ruhige Nacht hat. Außer mir natürlich, denn ich habe ja in guter deutscher Sonntagssitte Kuchen mitgebracht. Mist, manchmal ärgere ich mich so richtig über meine Gedankenlosigkeit.

 

Als ich dann vor der Tür stehe und D. mich reinlässt, kommt mal wieder alles ganz anders. „Sorry, ich hab nicht an Ramadan gedacht und einfach Kuchen gekauft“, entschuldige ich mich ganz bei der Wahrheit bleibend. „Ist doch super“, antwortet D., „Ramadan ist in Syrien, hier ist Deutschland und hier gibt es jetzt Kuchen.“

 

Während wir alle noch den Mund voll haben, ich mit Himbeeren, S. und A. mit Käsekuchen und M. hat überall Schokolade im Gesicht, frage ich D. noch einmal genauer nach Ramadan und wie er es mit dem Fasten hält. Früher habe er sich schon daran gehalten, sagt er, aus Überzeugung, aber eben auch, weil es dort eben üblich ist. Hier in Deutschland habe er zunächst noch alleine gefastet, während die Kinder sich bis zum siebenten Lebensjahr und F. sich als Schwangere sich sowieso nicht daran halten müssen.

 

 

Inzwischen hat er entschieden, dass Ramadan in Deutschland keine Pflicht ist, wobei ich seiner Erklärung dazu nicht wirklich folgen kann. Manches Dinge verändern sich eben, wenn man sich in eine neue Gesellschaft integriert. Das wiederum verstehe ich gut. Allerdings finde ich es auch wichtig, einige Traditionen und Überzeugungen, gerade religiöse, beizubehalten, sage ich ihm. Schließlich würde ich auch nicht all meine Lebensgrundsätze aufgeben, bloß um irgendwo so wenig wie möglich anzuecken.

 

Es gehe immer darum einen Mittelweg zu finden, erklärt mir D. Für Muslime sei das nicht immer ganz einfach, insbesondere nicht für Araber. „Was genau meinst du?“, frage ich. „Im Deutschkurs habe ich einen Freund, der hat auf meinem Handy irgendwann das Foto gesehen, auf dem ich mit dir und Rainer drauf bin. Daraufhin meinte er, ich könne als Muslim nicht mit Deutschen befreundet sein.“

 

Als ich das höre, bleibt mir beinahe die Himbeere im Halse stecken. Okay, dass es solche Ansichten gibt, ist mir nicht neu. Ihnen aber so nah, quasi um nur zwei Ecken herum zu begegnen, schockiert mich doch ein wenig. „Mit einer solchen Einstellung wird dein Freund es hier aber nicht unbedingt leicht haben“, kommentiere ich kopfschüttelnd. „Ich habe ihm gesagt, dass ihr meine Freunde seid und dass es keine Rolle spielt, ob ihr Deutsche, Araber oder Kurden seid“, erzählt D. weiter, „Jetzt will er nichts mehr mit mir zu tun haben.“

 

Fortsetzung folgt...