Einmal Döner für alle

Arbeit kommt, Arbeit geht - Teil 1

 

„Ich will endlich arbeiten“, sagt D. Endlich nicht mehr auf andere angewiesen sein, sondern selbst für sich und seine Familie sorgen zu können. Verstehen kann ich ihn gut. Seit ihnen der subsidiäre Schutz zuerkannt wurde, bezieht er zwar Hartz IV und das ist nach meinem Dafürhalten durchaus eine finanzielle Basis, auf der eine fünfköpfige Familie über die Runden kommen kann, doch befriedigend ist die Situation damit noch lange nicht.

 

Zuerst einmal würde mich diese Ungewissheit des einjährig gewährten subsidiären Schutzes verrückt machen. Offiziell bedeutet das, sie sind in unserem Land nicht asylberechtigt, doch sie genießen vorläufig den Schutz unseres Staates, weil ihnen in der Heimat ernsthafter Schaden droht. Das Grundrecht auf Asyl wird jenen gewährt, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt werden. Wenn ich alles zusammenfasse, was D. mir so über die Situation der Kurden in Syrien erzählt hat und wenn ich dazu in den Nachrichten höre, dass sich türkische Panzer, ach nein, an die Türkei verkaufte deutsche Panzer, gegen die syrischen Kurden richten, dann ist dieser Punkt meiner Meinung nach erfüllt.

 

Dennoch haben sie nun einmal nur den für dieses Jahr gewährten subsidiären Schutz und wir haben es leider auch versäumt, gegen diese Entscheidung zu klagen, weil wir erst zu spät erfahren haben, dass das möglich und in einigen Fällen wohl sogar recht vielversprechend ist. Auch das wurmt mich im Nachhinein ungemein und ich ärgere mich, dass wir zwar helfen, wo wir können, aber leider am Ende oft doch nicht so viel erreichen, wie wir uns vorgenommen haben.

 

 

Für F. und D. ist es natürlich noch viel schlimmer, denn die beiden sehen, wie sehr ihnen hier geholfen wird und wollen gerne auch endlich einmal etwas zurückgeben. Zudem baut er sich gerade ein neues Leben auf und insbesondere die Kinder erleben Deutschland im Kindergarten und in der Schule als ihre Heimat, schlagen sozusagen Wurzeln und sind oft nur noch über das Handy mit ihrem früheren Leben und den Menschen dort verbunden. Wie lange all das hier aber Bestand hat, ist vollkommen ungewiss.

 

Klar, dass D. sich diesen Status sichern will, indem er endlich einen Job hat und sich seine Zukunft ganz aktiv aufbauen will. „Erstmal musst du deine Sprachkurse bestehen“, antworte ich immer wieder, obwohl ich weiß, dass er das eigentlich nicht hören will. „Ich würde viel besser Deutsch lernen, wenn ich auf der Arbeit unter lauter Deutschen wäre, die mit mir den ganzen Tag Deutsch sprechen“, hält er mir vor und ich kann nur zustimmend nicken.

 

Ein paar Tage später begrüßt D. uns schon an der Tür völlig euphorisch. „Ich habe einen Job!“, verkündet er stolz. Na gut, erst einmal Probearbeiten. Im Dönerladen. Dort kann er nach der Schule arbeiten, zunächst mal für zwei Wochen und dann entscheidet sich, ob er der Aufgabe tatsächlich gewachsen ist, habe der Inhaber, ebenfalls ein Kurde, versprochen. Der Punkt mit dem Deutsch lernen unter Deutschen ist damit wohl nicht so ganz erfüllt. Aber immerhin. Wir freuen uns für ihn.

 

Vor allem, freue ich mich, weil er sich diesen Job selbst gesucht hat, ganz ohne unsere Hilfe oder die des Jobcenters. Er hat sich umgeschaut, weil er es hier zu etwas bringen will. Das ist für mich das wichtigste Signal und gibt mir Hoffnung. Noch dazu ist sein Plan, dass er uns, F. und die Kinder dann jede Woche einmal zum gemeinsamen Döneressen einlädt auch durchaus verlockend.

 

 

Leider löst sich dieser Plan schon wenige Tage später in Luft auf. A. ist im Kindergarten von der Rutsche gefallen und muss ins Krankenhaus. Rainer und ich waren in dem Moment leider beide nicht zu erreichen. Und da F. nicht genug Deutsch spricht, so dass sie sich traut, die Kinder in ein deutsches Krankenhaus zu bringen, ist D. von der Schule aus mit einem Freund, der ein Auto hat, sofort losgefahren.

 

Als er mich schließlich doch auf dem Handy erreicht, ist alles schon vorbei, A. geht es gut und sie ist längst wieder zuhause. D. aber auch, denn als er viel zu spät bei seiner Probearbeitsstelle auftauchte, die er natürlich in der Eile auch nicht über den Notfall informierte, konnte er sich sämtliche Einladungen zum Döneressen erst einmal abschminken. „Aber was sollte ich machen?“, fragt er mich hilflos und mit einer Spur Verzweiflung in der Stimme.

 

Fortsetzung folgt...