Vom System überrollt

Rettet unsere Demokratie - Teil 1

 

Einige Tage später sitzt D. über seinen Unterlagen und büffelt für seinen Integrationskurs. In diesem geht es ja nicht nur um Sprache, sondern auch um politische Bildung und das Verständnis unseres gesellschaftlichen Systems. Finde ich äußerst löblich, auch wenn ich mich frage, ob Multiple Choice-Fragen zum Grundgesetz etc. wirklich so viel Erleuchtung mit sich bringen oder letztlich nicht doch viel mit Auswendiglernen zu tun haben, so wie es schon zu meiner Schulzeit in vielen Fächern der Fall war.

 

Umso dankbarer bin ich, dass D. nicht nur einfach stumpf die passenden Antworten zu den jeweiligen Fragen büffelt, sondern mich bei vielen um eine Erklärung bittet. Warum ist der Bundespräsident denn bei uns das Staatsoberhaupt, wenn er in den Nachrichten immer nur von Bundeskanzlerin Merkel hört? Ist es bei uns wirklich so, dass per Gesetz jeder die gleichen echte hat? In seiner Heimat habe er die als Kurde definitiv nicht. Und was genau bedeutet eigentlich, dass die Würde des Menschen unantastbar ist?

 

 

Nach und nach muss ich zugeben, dass einige der Fragen es in sich haben, wenn man ihnen genauer auf den Grund geht. Würde ist nun mal ein sehr weit gefasster Begriff und ihre Unantastbarkeit kann durchaus subjektiv sein. Zudem sind viele Fragen dabei, die selbst ich nicht einfach so beantworten kann. Und ich vermute mal, auch viele andere Deutsche nicht. Gut, die Bundesländer und ihre Hauptstädte bekommen viele vielleicht noch hin. Doch dass Niedersachsen an neun andere Bundesländer angrenzt, erfordert schon etwas mehr, finde ich.

 

Wenn jeder Flüchtling, der zu uns kommt, all diese Fragen tatsächlich versteht und sicher beantworten kann, dann brauchen wir uns um unsere Demokratie jedenfalls keine Sorgen zu machen. Außer vielleicht Sorgen, die aus einer ganz anderen Ecke herrühren. Genau mit denen werde ich dann am Abend konfrontiert als ich über eine Veranstaltung mit dem ARD-Korrespondenten Arnd Henze berichten soll.

 

„Was wird aus unserer Demokratie?“ Diese Frage müssen wir uns heute stellen, meint Arnd Henze, nicht nur in Berlin und den Hauptstädten dieser Welt nachgedacht werden, sondern auch in kleineren Städten und Gemeinden, die die wichtige Basis eines demokratischen Systems bilden. Auch er selbst stammt aus einer mittelgroßen Stadt, erzählt er, aus Einbeck, wo er auch zum Thema Populismus und wie wir damit umgehen können eingeladen wurde.

 

 

Viele Einwohner sind an diesem Abend da und ich merke schnell, dass sie dieser ganze Themenkomplex ebenso interessiert wie auch verunsichert. Unsere Welt scheint wirklich im Umbruch, zumindest stelle ich immer wieder fest, dass dieses ganze Thema sozialer Ungleichheit, Fanatismus, Flucht und die Angst vor Überfremdung oder wie immer man es nennen will, viele Menschen zutiefst verunsichert. Noch dazu habe ich das Gefühl, dass sich auch um mich herum grob gesehen zwei Lager bilden, deren Sicht auf die Welt extrem unterschiedlich ist und von denen die eine Seite begierig alles aufsaugt, was ihre Meinung untermauert, ohne dabei nach dem Wahrheitsgehalt zu fragen.

 

Arnd Henze scheint das ähnlich zu beurteilen. Zumindest stellt er erst einmal fest, dass Populismus diejenigen anspricht, die sich von der Politik übergangen fühlen. Denen bietet er einfache Lösungen für komplexe Probleme und demonstriert die Stärke des kleinen Mannes. Besonders auffällig sei das derzeit in den USA, doch ebenso auch bei uns. „Es fordert die ganze demokratische Welt heraus“, macht der Journalist deutlich.

 

Motor der Demokratie waren immer Fortschritt und Wohlstand, führt er aus, wenn die jedoch wegbrechen, dann ist das System in Gefahr. Nicht zuletzt durch die Finanzkrise vor einigen Jahren wurde das Vertrauen brüchig, kein Wunder, wenn Banken mit vielen Millionen gerettet, aber die Probleme der Bevölkerung wie in Griechenland dennoch nicht gelöst werden. Zudem bieten Russland und China Gegenmodelle zu unserem demokratischen System an, die wunderbar funktionieren.

 

Mir gefällt, wie nüchtern er analysiert und Dinge zueinander in Beziehung setzt. Vieles von dem, was er sagt, empfinde ich ganz vage ebenso, ohne es aber klar auf den Punkt bringen und so artikulieren zu können. Zumindest ist all das, was im Moment auf der ganzen Welt passiert ein global zusammenhängendes Problem, bin ich mir sicher, und einer der Hauptauslöser dafür ist ein dramatisches Auseinanderklaffen von Arm und Reich, wobei es eben immer mehr Menschen gibt, die vom kapitalistischen System überrollt werden und dementsprechend nach Alternativen suchen.

 

Fortsetzung folgt...