Kein leeres Genuschel

Erst Schweigen, dann Schweiger - Teil 1

 

Til Schweiger will ein Flüchtlingsheim in Osterode bauen. Die Nachricht schlug damals ein wie eine Bombe. Zum einen, weil viele den Schauspieler wohl schon mit Maurerkelle und Bierflasche an ihrem Gartenzaun lehnen sahen, zum anderen, weil es nach Monaten des Schweigens endlich etwas Neues gab von der leerstehenden Kaserne, die zur Erstaufnahmeeinrichtung umgebaut werden sollte.

 

Schon mit Bekanntwerden der Pläne für die Erstaufnahmestelle war die Stimmung hier ja hochgekocht und es gab kaum noch ein anderes Thema. Gab es zu der Zeit ja aber deutschlandweit nicht. Die Welt schien außer Kontrolle zu geraten, die sogenannte „Flüchtlingswelle“ entzweite die Nation und Bund, Länder und Kommunen suchten verzweifelt nach Lösungen. Persönlich war ich von Anfang an für den Umbau der Kaserne, zum einen, weil ich die Zustände in der überfüllten Erstaufnahmeeinrichtung in Braunschweig gesehen hatte, zum anderen, weil ich dachte, dass es für Osterode eine große Chance sein könnte.

 

Dann passierte sehr lange erst einmal gar nichts. Ich habe in jener Zeit ein Interview mit Jürgen Trittin geführt, der zum einen betonte, dass es dringend Zeit wird, von den Planungen zur tatsächlichen Umsetzung überzugehen, und zum anderen daran erinnerte, dass die Kaserne damals nach Abzug der Bundeswehr „verscherbelt“ worden sei und man alles auch viel billiger hätte haben können. Aber hinterher ist man eben immer schlauer.

 

 

In jedem Falle wurden langsam die Stimmen immer lauter, die nachfragten, wann es denn nun endlich losgeht mit dem geplanten Umbau, denn der noch nicht korrigierte Termin für den Einzug der ersten Flüchtlinge stand sozusagen vorm noch nicht renovierten Tor. Und dann titelte eine benachbarte Tageszeitung plötzlich mit Til Schweiger, der sich persönlich in Osterode für den Umbau einsetzen wollte.

 

Auch ich ging der Sache journalistisch nach, bemühte mich um ein Gespräch mit dem Besitzer des Grundstücks, mit der Pressestelle von Schweigers Produktionsfirma und mit unseren Lokalpolitikern. Letztere waren selbst relativ überrascht von dem prominenten Bauherrn, Til Schweiger fand angeblich keine Zeit, sich zu äußern und der Grundstücksbesitzer war wie schon die gesamte Zeit seit der ersten öffentlichen Informationsveranstaltung nicht erreichbar. Trotzdem schien ja etwas an der Geschichte dran zu sein, zum einen weil Schweiger ja im Fernsehen durchaus Zeit fand, sich über seine Pläne einer Luxus-Flüchtlingsunterkunft mit Freizeitangeboten, Werkstätten und Traumatherapie auszulassen, zum anderen, weil auch die Pressestelle des Innenministeriums informiert war und sein Engagement sehr begrüßte und zu unterstützen versprach.

 

„Kein leeres Genuschel“ titelte ich damals, zugegeben etwas provokant und flapsig. Nun muss ich zugeben, dass ich Til Schweiger noch nie etwas abgewinnen konnte, weder in seinen Filmen, noch wie er sich in der Öffentlichkeit präsentierte. Zudem verstehe ich den Mann einfach nicht, muss mich immer extrem anstrengen, um mitzubekommen, was er sich eigentlich zurechtnuschelt. In diesem Fall allerdings wuchs mein Respekt vor ihm, ich fand es äußerst mutig, ein solches Projekt zu unterstützen und sich öffentlich politisch so klar zu positionieren. Da verzieh ich ihm auch gerne, dass er einen kleinen Lokaljournalisten nicht Rede und Antwort stehen wollte.

 

 

Dafür hatte ich auch genug andere Ansprechpartner, denn sämtliche Lokalpolitiker vom Bürgermeister bis zum Bundestagsabgeordneten ließen sich sehr gerne von mir interviewen. Sogar meine Mail an den damaligen Vizekanzler Sigmar Gabriel, die ich an sein Wahlkreisbüro geschickt hatte, kam beantwortet zurück und ich glaube bis heute, dass Gabriel die Zeilen selbst geschrieben hat. Seine Presseabteilung hätte vorm Abschicken die Rechtschreibfehler korrigiert, denke ich.

 

Jedenfalls bezog auch Gabriel in dieser Mail klar Stellung, ging auf rechte und „besorgte“ Stimmen in den sozialen Medien ein und freute sich darüber, dass endlich etwas in Bewegung kommt und die Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge in den Erstaufnahmestellen mit einer weiteren Einrichtung vielleicht verkürzt werden kann.

 

Meine Meinung von Sigmar Gabriel war wiederum eine recht hohe, ich hatte ihn mal auf einer Veranstaltung erlebt, bei der er eine flammende Rede über deutsche Rüstungsexporte in alle Welt und auch in Krisenregionen gehalten hatte und in der er sich sehr deutlich dafür aussprach, diese drastisch herunterzufahren, weil damit auch wir eine Mitschuld in den Krisenherden und an immer mehr Flüchtlingen in der Welt tragen. Allerdings war das noch, bevor er Vizekanzler wurde und selbst jede Menge dieser Waffendeals unterzeichnete. Rhetorisch war er für mich allerdings immer noch jemand, an dessen Überzeugungskraft ich gerne zurückdenke. Gut, Rhetorik ist leider nicht alles.

 

Fortsetzung folgt...