Nur als Ausnahme

Ärger mit Ärzten - Teil 2

 

Der Arzt kritzelt einige Notizen in ein Formular, dann sagt er: „Melden Sie sich damit in der Notaufnahme, die kümmern sich dort um alles weitere.“ Ich folge mit F. den Schildern durch die Gänge des Krankenhauses. Vor allem sie scheint jetzt richtig zuversichtlich zu sein. Gut so.

 

 In der Notaufnahme gibt es eine Anmeldung, dort geben wir das Formular ab, und es gibt ein Wartezimmer, in dem nehmen wir kurz darauf Platz. Scheint mir irgendwie auch typisch deutsch zu sein. Allein in unserer Zeit als Paten haben wir gefühlt schon unzählige Stunden wartend vor irgendwelchen Ämtern verbracht. Weil es hierzulande nun einmal immer ordentlich der Reihe nach geht.

 

Ich erinnere mich an einen Termin mit D., den er neulich um neun Uhr bei der Stadt hatten. Wie immer habe ich ihn sehr zeitig abgeholt, um bloß nicht zu spät zu kommen und einen schlechten Eindruck zu vermitteln. So waren wir zehn Minuten vor der Zeit dort und haben artig vor der Tür gewartet. Um etwas fünf vor neun habe ich dann mal angeklopft und auch die Klinke heruntergedrückt. Die Tür war verschlossen. Um Punkt neun hat die Mitarbeiterin sie dann geöffnet. Von innen. Sie bat uns, noch fünf Minuten zu warten, dann würde sie uns hereinrufen.

 

Ehrlich gesagt war ich ebenso fassungslos wie D. Die nette Mitarbeiterin hat sich offensichtlich in ihrem Büro eingeschlossen, um bloß nicht vor der Zeit von Antragstellern gestört zu werden. Hatte ich so auch noch nicht erlebt. „In Syrien ist das anders“, machte D. mir klar. Dort warte man nicht vor Büros bis man dran ist, dort bekomme man auf den Ämtern eh nur einen Termin, wenn man genügend Bakschisch zahle. Da ist mir das deutsche System dann vielleicht doch lieber.

 

 

Trotzdem nervt mich das Warten, vor allem, weil ich eigentlich schon längst wieder zuhause sein wollte. Mehr als fünf Jahre unseres Lebens verbringen wir im Schnitt mit Warten, habe ich mal gelesen. Ob in Deutschland mehr als in Syrien oder anderswo weiß ich nicht. Aber die meiste Zeit davon wohl vor dem Computer, wenn irgendwelche Programme laden, gefolgt von der Zeit, die wir im Stau stehen und natürlich in den Wartezimmern der Ärzte.

 

Gerade die Zeit könnte man sich ja mit dem Lesen der dort herumliegenden Zeitschriften vertreiben. Blöderweise neige ich aber dazu, mir immer die Dinge aus diesen Zeitschriften zu merken, die ich garantiert nie im Leben brauche. Die nehmen dann in meinem Kopf Platz ein, den ich eigentlich mit sinnvolleren Fakten füllen könnte. Also warte ich mit F. ohne Zeitschrift und tatsächlich ist sie dann auch bald dran.

 

„Worum geht es denn?“, will der junge Mann an der Anmeldung wissen. „Sie klagt über Unterleibsschmerzen“, antworte ich, „mehr kann ich Ihnen nicht sagen, das müsste aber auf dem Formular stehen, das ich Ihnen gegeben habe.“ Er nickt und liest sich den Zettel noch einmal durch. Dann nickt er wieder und fragt: „Sie sind der Ehemann?“ Als Antwort schüttele ich den Kopf und erläutere: „Nein, nur ehrenamtlicher Pate, ich habe sie hergefahren.“

 

 

„Eigentlich hätten Sie zuerst einen Termin beim Hausarzt machen müssen und der hätte Sie dann gegebenenfalls zu uns überwiesen“, belehrt er mich. „Weiß ich ja, aber sie klagte über akute Schmerzen, und ich dachte, hier sei die Chance am größten, dass jemand Arabisch spricht“, versuche ich mich zu erklären. Wieder nickt der Mann. „Ist schon gut, das stimmt ja eigentlich auch, aber eigentlich soll es so eben nicht sein. Das sollte schon die Ausnahme bleiben.“

 

Wie auch immer, F. wird von einem Arzt in ein Behandlungszimmer begleitet und ich nehme noch einmal im Wartezimmer Platz. Diesmal blättere ich dann doch eine Zeitschrift durch und entdecke darin zuerst einen Artikel über unleserliche Handschriften, weil niemand mehr mit der Hand schreibt und auf der folgenden Seite dann einen über Krankenhauskeime. Sehr schnell beschließe ich, jetzt doch nicht mehr zu lesen und stattdessen lieber aus dem Fenster zu starren.

 

Nach einigem Starren kommt F. zurück ins Wartezimmer, strahlt und hält mir ein Rezept unter die Nase. Da ich es natürlich nicht lesen kann, platze ich noch einmal ins Behandlungszimmer und frage den Arzt, wie es denn jetzt weitergeht. F. soll sich erst einmal die beiden Medikamente besorgen und wenn sie nach drei Tagen immer noch Schmerzen hat, soll sie sich beim Hausarzt melden.

 

Fortsetzung folgt...