"Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber..."

Besorgte Bürger brabbeln Bullshit - Teil 1

 

Lange, bevor sich Til Schweiger in die Diskussion einbrachte, wurden den Osterodern die Pläne vorgestellt, die ehemalige Kaserne zu einer Erstaufnahmestelle umzubauen. Die Stadt und das Land Niedersachsen luden in einem relativ frühen Stadium der Verhandlungen mit dem Investor, der das Gelände schon etwa ein Jahr zuvor zu einem Spottpreis gekauft hatte, zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung in die Stadthalle ein.

 

Vielleicht, so denke ich heute, war es ein Fehler, die Verhandlungen so früh in der Öffentlichkeit zu diskutieren, denn dadurch wurde die Gier des Investors geweckt, der den Preis für das Gelände in die Höhe trieb und das gesamte Projekt damit später scheitern ließ. Die Idee des Bürgermeisters, war es meiner Meinung nach jedoch, bloß nicht den Verdacht von Mauscheleien hinter verschlossenen Türen aufkommen zu lassen und die Bürger so früh wie möglich einzubeziehen.

 

Schon diese erste Veranstaltung in der bis auf den letzten Platz besetzten Stadthalle zeigte, wie brisant das Thema war. Es war im Frühjahr 2015 und auch in vielen anderen Städten in Deutschland hatten Politiker inzwischen die Erfahrung gemacht, dass viele Ideen zur Aufnahme von Flüchtlingen die sogenannten besorgten Bürger auf den Plan riefen und solche Diskussionsveranstaltungen nicht selten in hitzige Debatten mit mehr oder weniger differenziert formulierten nationalistischen Parolen ausarteten.

 

Rainer und ich wollten uns die Veranstaltung unbedingt ansehen, ich musste sogar, weil ich darüber schreiben sollte. Eine Kollegin, die für eine andere Zeitung dort war, fragte mich zu Beginn noch, ob wir nicht „Nazi-Bingo“ spielen, also darauf wetten sollten, ob Formulierungen wie „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber...“ an diesem Abend fallen würden. In meiner Naivität sagte ich ihr, dass ich nicht glaubte, dass ernste Diskussionen auf ein solches Niveau absinken würden und muss leider zugeben, ich hätte die Wette an diesem Abend haushoch verloren.

 

 

Zunächst einmal verlief ja noch alles sehr sachlich. Der Sprecher des Innenministeriums informierte über die wachsende Zahl an Flüchtlingen, die nach Deutschland kamen und darüber, dass es in den seit den 90er Jahren kontinuierlich zurückgebauten Einrichtungen deutlich zu eng wurde. Ein Vertreter der Landesaufnahmebehörde zeigte auf, warum man die leerstehende Kaserne für einen idealen Standort hielt. Zum einen war nämlich der Sanierungsaufwand vergleichsweise gering, zum anderen war ausreichend Platz vorhanden, um – er drückte es ein wenig anders aus – dem unausweichlichen Lagerkoller, wenn zu viele Menschen unterschiedlicher Herkunft auf engem Raum zusammengepfercht werden, vorzubeugen.

 

Auch der Käufer des Geländes äußerte sich, lobte die entstehenden Arbeitsplätze und die Erfahrungen seiner Firma im Bereich des Personenschutzes. Damit meinte er den Bodyguard Til Schweigers, der irgendwie an seinem Unternehmen beteiligt war, mit der Unterbringung und Versorgung von Menschen hatte er jedenfalls keinerlei Erfahrungen.

 

„Kann es sein, dass der Typ ziemlich schleimig ist?“, raunte Rainer mir zu und ich musste ihm uneingeschränkt zustimmen. Dass etwas später zudem Gerüchte aufkamen, er habe sein Geld mit dem Transport von Söldnertruppen in Krisengebiete verdient, wusste ich damals noch nicht, weiß es im Grunde auch bis heute nicht genau, doch eine seriöse und vertrauenswürdige Aura hatte dieser Mensch jedenfalls genauso viel wie Til Schweiger eine deutliche Aussprache.

 

 

Richtig schlimm wurde es allerdings erst als sich die Zuhörer äußern durften. Vielleicht sollte ich die Osteroder erst einmal in Schutz nehmen, denn die deutliche Mehrheit der Redebeiträge war sachlich und konstruktiv, zum Teil natürlich auch skeptisch, doch absolut gerechtfertigt. Allerdings gab es auch die anderen, die, bei denen ich am liebsten heute noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde, und auch die, die unverhohlen eine rechte Gesinnung zeigten.

 

Das befürchtete „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber...“ wurde leider wortwörtlich geäußert, ebenso die Angst vor Überfremdung und steigender Kriminalität. Einige Anwohner äußerten ihre Bedenken, es könne in Zukunft zu laut in ihrer Nachbarschaft werden, schließlich seien sie bewusst in eine ruhige Gegend gezogen. Grundsätzlich vielleicht durchaus ein Argument, nur stand nie zur Debatte, das Gelände ewig leerstehen zu lassen und der vorige Eigentümer hatte sogar den Plan, dort ein großes Funsportzentrum zu errichten und den Tourismus der Region anzukurbeln.

 

Fortsetzung folgt...